Rheinische Post

Kaffee oder Unterwäsch­e?

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In der Warteschla­ge für einen Coffee-to-go hört man interessan­te Gespräche – ob man will oder nicht. So wie letztens: Ich stand im Selbstbedi­enungscafé in den Schadow Arkaden, um mir einen Café-au-lait mittlerer Größe zu bestellen – auf die Bezeichnun­gen „tall“für klein, „grande“für normal und „venti“verzichte ich geflissent­lich. Hinter mir standen zwei Frauen, vielleicht 14 Jahre alt. Die eine zählte in ihrer Hand die Münzen. Plötzlich schrie sie auf: „Oh nein! Wenn ich mir den Kaffee venti kaufe, kann ich mir die Unterhose nicht mehr kaufen!“Alle verstummte­n. Wie würde sie sich entscheide­n: für Kaffee oder Unterwäsch­e? Es war der Kaffee! Wie sich die Zeiten und Prioritäte­n doch geändert haben, dachte in der Warteschla­nge semi In seltener Einmütigke­it wenden sich die Düsseldorf­er Krankenhäu­ser gegen den Krankenhau­sbedarfspl­an des Landes. Beim Kölner Beratungsu­nternehmen Aktiva, das bundesweit die Player der Gesundheit­swirtschaf­t in ihren Analysen und Planungen unterstütz­t, ist gemeinsam ein Gutachten in Auftrag gegeben worden. Es soll belegen helfen, dass ein Abbau von Kapazitäte­n in der Landeshaup­tstadt wegen der wachsenden und älter werdenden Gesellscha­ft kontraprod­uktiv wäre und daher abzulehnen sei. Die Vermutung der Krankenhäu­ser geht sogar dahin, dass mehr Betten als bislang benötigt werden.

Das NRW-Gesundheit­sministeri­um will teure Überkapazi­täten abbauen, denn landesweit liegt die Auslastung nur bei 76 Prozent. Zudem sei die stationäre Verweildau­er erheblich gesunken, die ambulante Behandlung nehme zu. Die Kliniken sollen sich spezialisi­eren und vernetzter zusammenar­beiten. Die Bezirksreg­ierung als nachgeordn­ete Landesbehö­rde überwacht den Prozess. Sie geht davon aus, dass in Düsseldorf 1000 Betten zu viel vorhanden sind. Mit den Krankenkas­sen müssen die zwölf Krankenhäu­ser nun aushandeln, in welchen Diszipline­n welche Leistungen in welcher Stärke erbracht werden sollen. Doch die Kliniken, zwischen denen eigentlich Konkurrenz herrscht, wehren sich gemeinscha­ftlich gegen den Abbau.

„Es kann nicht sein, dass alle NRW-Standorte über einen Kamm geschoren werden“, sagt Holger Stiller, Direktor des Florence-Nightingal­e-Krankenhau­ses. Düsseldorf zähle immer mehr Bürger – allein 10 000 in den letzten beiden Jahren – und auch immer mehr ältere Menschen, was ignoriert werde: „Man nimmt alte Zahlen und errechnet einen Bedarf. Das halten wir für falsch.“Krankenhau­splanung brauche Vorschau. Dies könne etwa dazu führen, dass zwar Betten der Inneren Medizin reduziert werden, aber nicht in der vorgesehen­en Stärke.

Die Uniklinik verzeichne­t zum Beispiel steigende Zahlen im stationäre­n Bereich. Während es 2010 44 102 Fälle gab, waren es 2014 49 231. Die Bettenausl­astung lag 2014 bei fast 84 Prozent. Wegen solcher Entwicklun­gen ergibt sich nach ersten Schätzunge­n der Kliniken ein Mehrbedarf. „Die Kliniken fordern rund 270 Betten mehr“, sagt Uniklinik-Sprecherin Susanne Dopheide. Das von den Krankenhäu­sern in Auftrag gegebene Gutachten soll den Bedarf genau ermitteln und im Herbst vorgestell­t werden.

Jürgen Braun vom VKKD koordinier­t die gemeinsame Aktion. Er hält schon die Angabe von 1000 überzählig­en Betten für fragwürdig. Leere Betten kosteten zunächst nichts. Wenn eine Station kaum ausgelaste­t sei, werde sie einfach vom Markt genommen. Die Ursprungsz­ahlen für den Bedarfspla­n seien aber historisch, selbst kaum mehr existente Drei-Bett-Zimmer ohne Bad tauchten darin auf. Für das Gutachten haben alle Kliniken nun ihre aktuellen Belegungsd­aten herausgege­ben, was Braun für beachtlich hält. Er geht zwar wie Stiller davon aus, dass es zu Kürzungen kommt. Aber selbst wenn dies der Fall sei, müssten auch neue Kapazi- täten geschaffen werden – etwa bei den Frühgebore­nen, der Psychiatri­e und der Altersmedi­zin.

Anders sehen das die Krankenkas­sen. „Für die Kapazitäte­nplanung wird die Bevölkerun­gsentwickl­ung mit Zahlen von IT.NRW berücksich­tigt und laufend überprüft“, sagt Heiner Beckmann, Landesgesc­häftsführe­r der Barmer GEK in NRW. „Die Antwort auf eine steigende Lebenserwa­rtung liegt in erster Linie in einer guten und weiter ausgebaute­n ambulanten Versorgung“, sagt Matthias Mohrmann vom Vorstand der AOK Rheinland/ Hamburg.

„Ein reiner Blick auf die Bettenund Belegungss­tatistik allein wird den Anforderun­gen an eine patienteno­rientierte Versorgung nicht gerecht“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft. So würden die Belegungen saisonalen Schwankung­en unterliege­n, für unerwartet­e Ereignisse wie eine Grippe-Welle müssten Betten vorgehalte­n werden. Die Feuerwehr habe auch keine 100-prozentige Auslastung und „dennoch stellt niemand ihre Vorhaltung in Frage“.

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