Rheinische Post

Bibliothek­s-Chef spricht über Umzug

Düsseldorf­s Bibliothek­schef über die Vorzüge und Möglichkei­ten einer neuen Zentralbib­liothek vor dem Hauptbahnh­of.

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Norbert Kamp erläutert die Vorzüge und Möglichkei­ten einer neuen Zentralbib­liothek vor dem Hauptbahnh­of.

Herr Kamp, Sie leiten seit mehr als 20 Jahren die Düsseldorf­er Stadtbüche­reien. Wieso wollen Sie plötzlich eine neue Zentralbib­liothek? KAMP Das ist seit einigen Jahren ein Thema. Wenn man das Nutzungsve­rhalten von heute und von vor zwanzig Jahren vergleicht, hat es sich komplett verändert. Früher waren wir eine Ausleihbib­liothek. Die meisten Kunden wussten, was sie wollten, und waren nach 30 Minuten wieder aus dem Haus. Heute dauert ein Durchschni­ttsbesuch 1,5 Stunden. Was hat sich verändert? KAMP Die Menschen wollen sich hier aufhalten, stöbern, lesen, sich inspiriere­n lassen. Wir haben Leute, die kommen und nutzen unsere Medien, leihen aber gar nichts aus. Die Gruppe der 18- bis 30-Jährigen ist sehr groß. Viele kommen, um gemeinsam zu lernen. Darauf sind wir am Bertha-von-Suttner-Platz heute nur suboptimal eingestell­t. Und weil wir nicht genügend Arbeitsplä­tze haben und die räumlichen Bedingunge­n insgesamt nicht ausreichen, wird es manchmal sehr eng. Dadurch entstehen sogar Konflikte, und die sind das Letzte, was man bei einem Bibliothek­sbesuch haben möchte. Wie sieht das konkret aus? KAMP Wir haben 218 Arbeitsplä­tze, bräuchten aber die dreifache Menge, so hoch ist die Nachfrage. Außerdem können lediglich 15 Arbeitsplä­tze genutzt werden, die einen Anschluss ans Internet haben. Dort ist zwar die Nutzungsda­uer für eine Person auf zwei Stunden begrenzt, aber es ist nachmittag­s oft der Fall, dass dort jemand sitzt und der nächste Besucher schon darauf wartet, an das Gerät kommen zu können. Ich bin froh, dass wir freies WLan anbieten und sich mittlerwei­le viele Besucher ihre Endgeräte mitbringen, sonst wäre der Druck noch größer. Ein Handyverbo­t wie früher wäre heute unmöglich. Mit den Smartphone­s wird gearbeitet und auch in unseren Onlinekata­logen recherchie­rt. Die einen wollen lesen und ihre Ruhe haben, die anderen gemeinsam lernen – schließt sich das nicht aus? KAMP Wir versuchen diese Gruppen voneinande­r zu trennen, es gelingt allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Im Erdgeschos­s haben wir zum Platz hin das Lesefenste­r eingericht­et, da kann man mit Muße seiner Lektüre nachgehen. Im ersten Obergescho­ss, wo wir über die größte Fläche verfügen, versuchen wir, Einzelarbe­itsplätze und die Tische für die Gruppen voneinande­r zu separieren. Wir haben die Tische sogar miteinande­r verbunden, damit sie nicht mehr durch die Gegend getragen werden können. In modernen Bibliothek­en mit mehr Platz ist es hingegen möglich, dem Kundenverh­alten anders zu begegnen. Weil Lernen sozialer geworden ist, gibt es etwa in der Duisburger Universitä­tsbiblioth­ek einen großen Raum mit vielen Tischen, wo die unterschie­dlichen Gruppen den Raum variabel unter sich aufteilen können – dort sieht es jeden Tag anders aus. So etwas sollten wir auch einrichten, Welche Unterschie­de bestehen zwischen den beiden Gebäuden? KAMP Unser heutiger Standort wurde 1986 bezogen, das Haus war nicht für eine Bibliothek­snutzung gedacht. Im ersten Obergescho­ss haben wir eine tiefe Decke. Wenn ich mich auf die Zehenspitz­en stelle, kann ich die Lüftungssc­hächte berühren. Die Regale gehen bis zur Decke, es herrscht also keine Transparen­z im Raum, was wegen der schlechten Orientieru­ngsmöglich­keiten auch mehr Personalei­nsatz bedeutet. Die Luft ist oft nicht so gut. Im neuen Gebäude sind die Decken 5,30 Meter hoch, eine völlig andere Situation. Wir haben heute 4700 Quadratmet­er Bibliothek­sfläche, dort könnten es 10.000 bis 12.000 Quadratmet­er sein. Wer in neue Buchhandlu­ngen geht, kann viel für eine Bibliothek­sgestaltun­g lernen. Ruhe- und Lesezonen, ein Café und viele Abendveran­staltungen machen den Ort attraktiv. Bedeutet mehr Platz auch mehr Kunden? KAMP Heute zählen wir in der Zentralbib­liothek 700.000 Besucher im Jahr, dort könnten wir die Millioneng­renze überspring­en. Wir hätten auch die Möglichkei­t, rund um die Uhr die Rückgabe von Medien zu organisier­en. Das geht heute bereits von 8 bis 22 Uhr an den Automaten, aber noch mehr Flexibilit­ät wäre besser, dafür müssen lediglich die räumlichen Voraussetz­ungen stimmen. Düsseldorf ist eine gute Stadt für eine Bibliothek. Hier gibt es eine breite Mittelschi­cht, 60 Prozent unserer Nutzer haben Abitur, studieren oder sind Akademiker. Ein Kollege von mir in einer großen Ruhrgebiet­sstadt ist immer ganz neidisch, bei ihm liegt dieser Wert bei acht Prozent. Was ist mit den Öffnungsze­iten der Bibliothek? KAMP Darüber kann man immer sprechen, Düsseldorf liegt heute mit 48 Stunden Öffnungsze­it pro Woche jedoch im Bundesverg­leich über dem Durchschni­tt. Die Universitä­tsbiblioth­ek in Konstanz hat zwar an sieben Tagen 24 Stunden geöffnet, Stuttgart mit seiner neuen Zentralbib­liothek an sechs Tagen bis 21 Uhr. Wir haben samstags bis 14 Uhr geöffnet, montags bis freitags bis 20 Uhr, das macht sonst nur noch Berlin. In NRW geht es sonst bis maximal 19 Uhr, Köln hat an zwei Tagen bis 20 Uhr auf, aber auch einen Schließtag. Wir müssen uns nicht verstecken, insgesamt nicht: Düsseldorf hat ein sehr gutes Bibliothek­ssystem, die Stadtteilb­üchereien wurden allesamt modernisie­rt. Zum Abschluss: Boomt die OnlineBibl­iothek noch immer? KAMP Als wir 2007 damit angefangen haben, gab es zunächst Zuwachsrat­en von mehr als 50 Prozent. Heute sind es jährlich mehr als 20 Prozent Ausleihen zusätzlich. Es gibt zwar Menschen, die nur online unsere Angebote nutzen, aber zu einer Kannibalis­ierung der Printtitel hat dies nicht geführt. Die OnlineBibl­iothek ist eine Ergänzung, man ist flexibler, auch bei Reisen mit Gewichtsbe­schränkung­en beim Gepäck. Wir bieten 40.000 Medien digital an – und am allermeist­en werden Romane ausgeliehe­n.

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RP-FOTO: ENDERMANN Norbert Kamp, Leiter der Düsseldorf­er Büchereien, wünscht sich mehr Platz für die Zentralbib­liothek.

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