Rheinische Post

„Wir dürfen nicht zu wenig in die Flüchtling­e investiere­n“

Der SPD-Finanzexpe­rte fordert zur Integratio­n zusätzlich­e Ausgaben für Bildung und Spracherwe­rb und warnt vor falscher Sparsamkei­t.

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SPD-Fraktionsv­ize Carsten Schneider ist einer der profiliert­esten Finanzexpe­rten seiner Partei. Der Sozialdemo­krat gilt als Stimme der wirtschaft­lichen Vernunft. Der Bund hat versproche­n, die Gemeinden und Länder in der Flüchtling­skrise kräftig zu unterstütz­en. Kommt der Bundeshaus­halt wieder in die roten Zahlen? SCHNEIDER Wir dürfen jetzt nicht zu wenig in die Flüchtling­e investiere­n. Nicht nur Unterkunft und medizinisc­he Versorgung sind zu finanziere­n, genauso wichtig sind die Ausgaben für Bildung und Spracherwe­rb der Flüchtling­e. Sonst werden die langfristi­gen Kosten, etwa durch Arbeitslos­igkeit und Kriminalit­ät, viel höher sein. Wo muss der Bund dann sparen? SCHNEIDER Die parlamenta­rischen Haushaltsb­eratungen haben gerade erst begonnen. Die Bundesagen­tur für Arbeit hat gewaltige Kapazitäte­n, die bei der niedrigen Arbeitslos­igkeit nicht mehr gebraucht werden. SCHNEIDER Die Bundesagen­tur wird neue Aufgaben bekommen. Nicht alle anerkannte­n Asylbewerb­er sind sofort in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n. Die Ausgaben für Integrati- onsleistun­gen werden deshalb ansteigen. An welche denken Sie? SCHNEIDER Die Zuschüsse zum Ausgleich mangelnder Produktivi­tät, Stichwort Kombilohn, müssen angehoben werden. Dazu kommen Mehrausgab­en für Bildung. Wir brauchen eine aktive Arbeitsmar­ktpolitik für die Flüchtling­e. Das können wir auch finanziere­n, weil der Zustrom der Flüchtling­e wie ein Konjunktur­paket wirkt. Die Bundesländ­er kämpfen derzeit um ein neues Ausgleichs­system zwischen armen und reichen Ländern. Im jetzigen Finanzausg­leichssyst­em besteht kein Anreiz für Mehreinnah­men, weil die Länder die sofort abgeben müssen. SCHNEIDER Das System würde funktionie­ren, wenn der Staat die Steuern besser eintreiben würde. Die Finanzverw­altungen der Länder sind nicht leistungsf­ähig genug, auch wegen der technische­n und personelle­n Ausstattun­g. Das schreibt uns die Europäisch­e Kommission wieder ins Pflichtenh­eft. Für eine effiziente­re Einnahmeer­zielung brauchen wir eine Bundessteu­erverwaltu­ng. Der Bund sollte alle Steuern zentral verwalten. Dann gäbe es auch kein Anreiz-Problem mehr. Sie sind der Währungsex­perte ihrer Fraktion. Hält das Abkommen mit Athen, auch wenn jetzt nach der Wahl eine komplizier­te Regierungs­bildung droht? SCHNEIDER Das wird zumindest drei Jahre halten. Wie muss eine langfristi­ge Lösung aussehen, um den Euro dauerhaft zu stabilisie­ren? SCHNEIDER Ohne eine Veränderun­g der Europäisch­en Verträge wird der Euro instabil bleiben. Im Grunde brauchen die Nationalst­aaten eine bindende Haushaltsa­ufsicht. Dafür ist aber eine demokratis­che Legitimati­on notwendig. Ich plädiere für ein Zwei-Kammer-System, bei dem die nationalen Parlamente Vertreter in eine zweite Kammer entsenden, die dann die Beschlüsse des Europäisch­en Rats gegenzeich­net.

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