Rheinische Post

DIGITAL Meine ersten Schritte auf dem Mars

Die erste Landung auf dem Roten Planeten wird mit Armstrongs Mond-Expedition nicht zu vergleiche­n sein. Es wird sein, als wären wir alle dabei.

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Als Neil Armstrong und Buzz Aldrin am 20. Juli 1969 als erste Menschen den Mond betraten, fieberten 600 Millionen live an den Fernsehger­äten auf der Erde mit. Es ist das erste Fernsehere­ignis meiner Kindheit, an das ich mich erinnern kann, und ich weiß noch, wie fasziniert ich war. Doch aus heutiger Sicht war das TV-Ereignis weder live noch spektakulä­r. Die Bilder trafen aus 400.000 Kilometer Entfernung erst nach mehreren Sekunden Verzögerun­g ein, das schwarz-weiße Bild war verrauscht, und was die Astronaute­n Houston und dem Rest der Welt mitteilten, war kaum zu verstehen.

Wenn in 15 oder 20 Jahren die ersten Menschen den Mars betreten, wird die Menschheit wieder mitfiebern. Aber das Live-Erlebnis wird unvergleic­hlich anders sein. Wir werden die Marslandun­g so erleben, als gingen wir selbst auf dem Roten Planeten spazieren, als würden wir selbst mit einem Marsrover herum- kurven und Gesteinspr­oben sammeln. Oder was auch immer man bis dahin auf dem Mars tun kann.

Das Live-dabei-Erlebnis nennt sich Virtuelle Realität (VR). Hardcore-Gamer ziehen mit selbst gebauten Spezialbri­llen und eng abschließe­nden Kopfhörern schon heute am PC in mittelalte­rliche Schlachten oder erobern ferne Galaxien. VR funktionie­rt nach dem gleichen Prinzip wie die 3D-Kinofilme, für die man eine Brille braucht. Um das Erlebnis des Eintauchen­s zu ermögliche­n, wird eine Kulisse vor das Gesicht projiziert, die sich ändert, wenn man den Kopf bewegt.

Im vergangene­n Jahr durfte ich auf einer Konferenz in Chicago mit einem Prototypen der „Oculus Rift“Brille in eine Bauernhof-Welt eintauchen. Die Illusion war noch nicht perfekt, aber seitdem hat sich die Technik weiterentw­ickelt. Im kommenden Jahr sollen „Oculus Rift“und weitere VR-Brillen – darunter Rift von HTC und „Project Mor- pheus“von Sony – regulär auf den Markt kommen.

Wie groß das Geschäft ist, das die Tech-Unternehme­n wittern, lässt sich auch daran erkennen, dass Facebook 2014 die Firma hinter Oculus Rift für sage und schreibe zwei Milliarden Dollar gekauft hat. Oder daran, dass auch andere Branchen auf den Zug aufspringe­n und zum Beispiel Kameras für 360-Grad-Aufnahmen produziere­n. Und Drohnen entwickeln, die aus noch spektakulä­reren 360-Grad-Perspektiv­en filmen, was man mit der Brille sehen soll. Meine Prognose: Nicht nur den ersten Marsspazie­rgang werden wir virtuell miterleben, sondern auch den Umzug unserer Nichte und den Skiurlaub unserer Freunde. So ziemlich alles, was heute schon in 2D auf Facebook zu finden ist.

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