Das Ende der Akribie
Lucien Favre war nicht mehr der Richtige für Gladbach. Das hat er erkannt. Der dienstälteste Trainer der Liga ist – sehr überraschend – zurückgetreten. Er ist dem Verein zuvorgekommen. Der Klub hätte trotz aller Treuebekenntnisse handeln müssen, falls der Trainer in der anstehenden „englischen Woche“nicht die Trendwende geschafft hätte. Dass Sportdirektor Max Eberl den Schweizer zuletzt immer als „unrausschmeißbar“bezeichnet hatte, ist Makulatur. Gladbach steckt in der Abwärtsspirale. Eine schlechte Transferbilanz, taktische Unwucht, Verletzungen, dazu zumindest in der Champions League merkwürdige Schiedsrichterentscheidungen – eins kam zum anderen, ganz so, wie es Weltmeister Andreas Brehme mal derb ausgedrückt hat: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“
Für Favre sprachen bis zuletzt die Erfolge der vergangenen viereinhalb Jahre und die Tatsache, dass er früher in kniffligen Situationen Lösungen gefunden hat. Doch gegen ihn sprach die Kraft des Faktischen: die Tabelle. Und es drohte weiteres Ungemach. Gegen die mäßig bis sehr schwach in die Saison gestarteten Konkurrenten FC Augsburg und VfB Stuttgart muss Borussia nun punkten, um nicht den Anschluss zu verlieren. Favres bis zum Überdruss gerühmte Akribie ist in dieser Situation nicht mehr der richtige Weg. Es geht nun um schnellwirkende Reize – gerade in einer Zeit, in der das Team in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League alle drei, vier Tage spielt und in flottem Takt Hochkaräter vorgesetzt bekommt.
Doch wer soll’s nun machen? Sportdirektor Max Eberl, der Favre über die Maßen geschätzt und ihm sogar den Trainerjob bei Bayern München zugetraut hat, steht vor seiner vielleicht schwierigsten Aufgabe in seiner Gladbacher Zeit. Er braucht einen, der sofort hilft, aber auch langfristig arbeiten kann. Sascha Lewandowski wäre so einer gewesen. Doch der frühere Leverkusener hat gerade erst seinen Dienst beim Zweitligisten Union Berlin angetreten. Unglückliches Timing!