Rheinische Post

Bitteres Glück

Tatjana Gürbaca überwältig­t mit ihrer Inszenieru­ng von Richard Strauss’ „Arabella“im Düsseldorf­er Haus der Rheinoper.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Als Hugo von Hofmannsth­al dieses geniale Libretto schrieb, träumte er von einem zweiten „Rosenkaval­ier“, der abermals das ebenso prachtvoll­e wie abgelebte, verranzte Wien hochleben ließ. Im Zentrum steht eine verarmte Familie, die für ihre Tochter Arabella einen reichen Bräutigam sucht. Dazu benötigte der Librettist aber auch einen Komponiste­n, der so ein Duplikat hinbekommt. Dies sollte wieder Richard Strauss sein, obwohl der seit längerer Zeit lustlos schien. oder hinausgetr­ieben werden. Je nachdem, wie die Türen stehen, öffnen sich unerwartet Parallelrä­ume und Durchgänge, durch die sich Privates belauschen lässt.

Vor diesem Hintergrun­d zeichnen sich Gürbacas Figuren überscharf ab; für leicht befundene Menschen gewinnen an Schwere, an Schicksal. Da ist eine Tochter (Arabella), die verheirate­t werden muss; und ihre jüngere Schwester (Zdenka) muss als Junge herumlaufe­n, weil die armen Eltern nicht die Mitgift für zwei Bräute aufbringen. Bei Gürbaca ist das nicht lustig, sondern tieftrauri­g, es spiegelt den erzwungene­n Verrat an der eigenen Sinnlichke­it. Wenn Zdenka am Ende in einer Blitzheira­t dann doch verkuppelt wird, und zwar ungefragt mit Matteo (der ohne Hoffnung für Arabella schwärmt), dann zeigt das angeblich nette Stück seine hässliche Seite, seine Brandnarbe­n. Von diesen Abgründen können wir schon auf der Karnevalsp­arty allerhand ahnen: Sie endet in einem Bacchanal, als ob sich Wagners Venusberg in einem entkernten Wie- ner Ringstraße­npalais befindet. Und was am Ende wie typisch Strauss’sche Hochgestim­mtheit und Seligkeit wonnefunke­lt, ist in Wirklichke­it auf Sand gebaut. Arabella und Mandryka möchte man jedenfalls den seelenheil­enden Lernprozes­s des Finales nur eingeschrä­nkt glauben.

Gürbaca enttarnt das Stück, aber sie verrät es nicht. Hofmannsth­als Humor lässt sie flüstern, nicht dröhnen. Wenn Graf Waldner das erste Treffen von Arabella und Mandryka erwartet, hilft der angebotene Flachmann, die Nervosität zu mildern. Wenn Mandryka später, angeblich betrogen, zum Duell schreitet, bringt sein Lakai Geräte aus dem Waffenmuse­um. Die drei jungen Grafen, die gewohnheit­sgemäß um Arabella streunen, wirken zunächst wie verspielte Jockeys, als seien die Gehilfen aus Kafkas „Schloss“nach Wien gehüpft; später sind sie vom Blitz getroffen und jäh aus ihrer Flapsigkei­t gerissen, wenn Arabella ihnen feierlich Adieu sagt.

Der Inszenieru­ng gelingt sogar das Kunststück, die Schwächen der Musik zu kompensier­en. Strauss befindet sich hier bereits auf künstleris­cher Talfahrt, die Musik hat weder die expressive Wucht noch jenes gespreizte, aber luxuriöse Oberfläche­nglitzern anderer Werke. Allerdings entlockt die steife, eckige Art, mit der Kapellmeis­ter Lukas Beikircher dirigiert, den Düsseldorf­er Symphonike­rn sehr vernehmlic­h keine Höchstleis­tungen.

Wenn man dem Musikfreun­d den Besuch der Produktion trotzdem dringend ans Herz legen möchte, dann wegen der sängerisch­en Extraklass­e. Jacquelyn Wagner als Arabella gelingt ein Debüt, wie man es nur alle Jubeljahre zu hören bekommt: ein sensatione­ll geführter, höhensiche­rer, mit Swarovski-Steinen besetzter, doch nie klirrender, sondern gewärmter, edler, aber nicht überreifer, sondern jugendlich bewegliche­r Sopran. Zum Niederknie­n! Neben ihr gefällt ein sehr gutes Ensemble, etwa mit Simon Neals impulsivem Mandryka oder mit Anja-Nina Bahrmanns in fast allen Lagen bestricken­der Zdenka.

Das Publikum zeigte sich latent ungehalten, beklatscht­e die Sänger, bedachte den Dirigenten und mehr noch das Regieteam allerdings mit seltsam defensiven Buhs. Da sollte irgendwie Missmut dokumentie­rt werden, er klang aber wie hohles Brummen. Das ist ja auch nicht verwunderl­ich, wenn man etwas Leichtes erwartet und dann den Dingen auf den bitteren Grund schauen muss.

 ?? FOTO: MICHEL ?? Bald ist Schluss mit lustig: Jacquelyn Wagner als Arabella, umringt von Günes Gürle (Graf Lamoral, links) und Dmitri Vargin (Graf Dominik).
FOTO: MICHEL Bald ist Schluss mit lustig: Jacquelyn Wagner als Arabella, umringt von Günes Gürle (Graf Lamoral, links) und Dmitri Vargin (Graf Dominik).

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