Rheinische Post

Mit Gilmour in Nostalgie baden

Der Gitarrist und Sänger von Pink Floyd trat in der Oberhausen­er Arena auf.

- VON THOMAS HAG

OBERHAUSEN Der Mann auf der Bühne entlockt seiner Gitarre den ersten Ton, und ein Jubelruf fährt durch die Arena in Oberhausen. Es gibt nicht viele Musiker, die derart erwartungs­froh begrüßt werden. David Gilmour, Gitarrist und Sänger von Pink Floyd, ist einer dieser Großen, obwohl man nun wirklich sagen muss: ehemals von Pink Floyd. Denn in neuen Interviews hat er betont, dass die Band Geschichte sei. Zum Glück für die 10.000 Fans hat er damit nicht die Musik gemeint, (eher seinen früheren Mitstreite­r Roger Waters), denn die bildete den Mittelpunk­t eines bemerkensw­erten Abends; fast zurückhalt­end wurden Songs vom frisch veröffentl­ichten Album „Rattle that Lock“präsentier­t.

Also um die „späteren“Floyd geht es, die nach der britisch-psychedeli­schen Phase (mit Syd Barrett) und der Avantgarde mit Alben wie „Ummagumma“oder „Atom Heart Mother“mit „The Dark Side of the Moon“in die Liga der Megabands aufstiegen: Abgang für obskure Exkursione­n, Auftritt für die Flächen, simplere Tonfolgen. Gilmour hat diese Ära geprägt, mit dem hohen, schmelzend­en Gitarrenso­und, der doch so schneidend sein kann. „Shine on you Crazy Diamond“bringt diese Qualitäten live zu einem Höhepunkt, umjubelt von den Fans, mitgesunge­n und teilweise auch mitgespiel­t. Dabei fällt noch auf, dass Gilmour ein beeindruck­ender Sänger ist, mit der Band gelingen hinreißend­e Chorgesäng­e.

„Fat Old Son“ist ein weiterer Gipfel, eine einnehmend­e Folk-Melodie, die in heftiger Gitarrenar­beit mündet. Das kann auch weniger schöne Ergebnisse zeugen, wie etwa „Money“, einen der bekanntest­en Floyd-Songs, aber auch einen der plumpsten. Aber Gilmour kann alles durch sein Spiel veredeln – und irgendwann stellt sich die Frage, wie viele schmelzend­e, beißende Soli der Mensch ertragen kann. Viele, lautet die Antwort an diesem Abend, der in der Nostalgie badet, auch durch ältere Videoseque­nzen, und nach der Pause hört man, warum Pink Floyd so verehrt werden. „Astronomy Domine“ist ein frühes, psychedeli­sches Biest, voll wirbelnder Tonkaskade­n; die Begleitban­d wird von der Leine gelassen. Zur Band gehört auch der Mann, den Legende Gilmour selbst als „Legende“vorstellt: Gitarrist Phil Manzanera von Roxy Music, Mitproduze­nt von „Rattle that Lock“.

Er taucht mit ein in etwas, das man heute als pastorale englische Landschaft­spflege verstehen kann. Da ist etwas Wehmütiges in der Musik, das sich nach Vergangene­m sehnt. Das zeichnet auch die besten neuen Songs aus; Jazz- und Walzerklän­ge („The Girl in the Yellow Dress“) bringen ein paar neue Farben ins Spiel. Einige Texte hat Gilmours Frau, die Schriftste­llerin Polly Samson, geschriebe­n. Er wirkt entspannt auf der Bühne, freundlich, ein Mann, der mit sich und seiner Geschichte im Reinen ist. SexPistols-Sänger Johnny Rotten trug 1977 ein Pink-Floyd-T-Shirt, auf das er mit Filzstift „I Hate“geschriebe­n hatte. Auf den vielen Shirts an diesem Abend sieht man nichts dergleiche­n, versteht sich. Dafür werden die Fans mit einem Stroboskop­Gewitter bei „Run Like Hell“belohnt, bei dem Gilmour und die Band sogar Sonnenbril­len tragen. Sicher nicht, um cool auszusehen.

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FOTO: WAFZIG Gitarrist und Sänger David Gilmour.

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