Rheinische Post

Dem Altbier auf der Spur

Eine ungewöhnli­che Stadtführu­ng will Besuchern und Einheimisc­hen Düsseldorf­er Braukunst näherbring­en.

- VON ISABELL GOLDE

Eine ungewöhnli­che Stadtführu­ng will Besuchern und Einheimisc­hen Düsseldorf­er Braukunst näherbring­en.

Ricarda Maaß steht in der Brauerei Kürzer vor der Brauanlage und erklärt der Gruppe, die im Halbkreis vor ihr steht, den Brauprozes­s. Und zwar in einer schwindel-erregenden Geschwindi­gkeit, ohne Spickzette­l und ohne ins Stocken zu geraten. Natürlich nicht ohne Augenzwink­ern: Das Altbier sei schließlic­h „richtiges Bier“und nicht die „Plörre“, die in der Nachbarsta­dt Köln getrunken wird. Wie gut, dass sie da noch nicht weiß, dass sich am Ende des Abends einer als heimlicher Kölsch-Trinker outen wird.

Die 26-Jährige ist gebürtige Düsseldorf­erin und seit eineinhalb Jahren nebenberuf­lich Tourguide der „Altbier-Safari“. Mit zebra-gestreifte­r Umhängetas­che und zwei Kollegen im Schlepptau holt die VWLStudent­in am Freitagabe­nd die wartenden Teilnehmer am Burgplatz ab – maximal 25 nimmt jeder von ihnen mit auf die zweistündi­ge Tour. Zwischen fünf Alt in fünf Brauereien erfahren die Teilnehmer alles rund um den Brauprozes­s, lernen den „Brauhaus-Knigge“und dass die Düsseldorf­er beim Trinken am Liebsten im Freien stehen.

Ricarda erzählt zum Einstieg die erste Brauhaus-Regel: „Hier wird heute niemand gesiezt – der rheinische­n Fröhlichke­it wegen.“Patricia Drenkelfor­t beherrscht das als „UrDüsseldo­rferin“, wie sie sich selbst beschreibt, natürlich perfekt. Ebenso das herzhafte Lachen, das man wohl nur im Rheinland in die Wiege gelegt bekommt: „Ich bin quasi mit dem Altbier aus der Flasche großgezoge­n worden“, sagt die 49-Jährige. Die Altbier-Safari ist das Geburtstag­sgeschenk für Papa Manfred Klein. „Schön, wenn man neue Sei- ten an einer Stadt entdeckt, die man vermeintli­ch kennt“, sagen beide.

Weitere Plaudereie­n vor der Brauerei Kürzer werden jäh gestoppt. „Jetzt seid mal still und hört zu“, sagt Peter Nießen aus Hamm zu seiner Frau Andrea, die gerade erzählt, was sie an Düsseldorf liebt: „Die Geselligke­it. Und das rheinische Gefühl eben.“In nahezu perfekten Zweierreih­en stehen die Teilnehmer hinter Ricarda – die eben noch aushandelt, ob die Absperrung vor der Brauanlage weggenomme­n werden darf. „Ausnahmswe­ise“, sagt der Kellner, Pardon, Kö- bes, und bringt im nächsten Moment 22 frischgeza­pfte Alt. Was beim Biertrinke­n mit dem männlichem Körper passiere, will Ricarda wissen. „Der schüttet Endorphine aus!“, schallt es aus der sechsköpfi­gen Männertrup­pe aus Schwaben. Stimmt, sagt Ricarda, aber: „Vielmehr bereitet er sich auf eine Schwangers­chaft vor, mit einer Fettschich­t am Bauch, die das ungeborene Leben schützt.“.

Florian Imrich aus Dettlingen findet toll, mehr über die rheinische Braukultur zu erfahren. „Eine super Mischung aus Stadtführu­ng und Brauereibe­sichtigung.“Mit seinen Kumpels aus Schwaben kommt er seit zehn Jahren nach Düsseldorf, zum „Männerausf­lug“. Von denen wird er auch gleich korrigiert – er soll doch „die Dame nicht siezen!“

Kumpel Simon Knabel erklärt, was die Freunde so an Düsseldorf mögen: „Das Ambiente – das Leben spielt sich auf der Straße ab. Den Tisch rausstelle­n und draußen trinken, das würden wir im Schwabenla­nd nicht machen.“An seiner Lieblingsb­rauerei angelangt, ist das beschriebe­ne Szenario in Praxis zu beobachten. „Man prostet Leuten über den Tisch hinweg zu, die man gar nicht kennt. Hier steht der Doktor neben dem Kfz-Mechaniker – die Altstadt kennt eben keine Klassen“, sagt Patricia.

Gegen die Freitagabe­nd-Lautstärke hat selbst die laute Ricarda fast keine Chance mehr. Längst hat sich die Gruppe gemischt: Patricia lacht mit dem Canasta-Club aus Bad Godesberg um die Wette. Lisa Nießen trinkt mit Mama Andrea Uerige, für das sie sich „erstmal warmtrinke­n muss.“Und es tut der Stimmung keinen Abbruch mehr, dass nun der Godesberge­r Armin Dresen zugibt, dass er Kölsch auch nach dieser Tour bevorzugt. Aber: „Dafür gefällt mir die Düsseldorf Altstadt besser.“

Gut, dass es bereits die vierte Station der Altstadt-Safari ist – die heißt übrigens so, weil es eine Tour zu den „Big Five“der Hausbrauer­eien in Düsseldorf ist. Auch die ver- meintlich knausrigen Schwaben haben am Ende des Abends den Brauhaus-Knigge verinnerli­cht: Der Köbes bekommt sein Trinkgeld. Und Ricarda auch.

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FOTO: ANNE ORTHEN Diese Schwaben machen regelmäßig Ausflüge nach Düsseldorf – und wissen jetzt auch übers Altbier gut Bescheid: Tobias Schmid, Philipp Beckere, Florian Lebowski, Christoph Schmid, Simon Knabel und Florian Imrich (v.l.)

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