Rheinische Post

Joachim Masanneks Geschichte­n sind für Kinder das neue „Star Wars“.

Der Autor und Regisseur der „Wilden Kerle“kritisiert, dass Eltern ihren Kindern zu wenig Freiraum lassen.

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DÜSSELDORF „Wilde Kerle“-Regisseur Joachim Masannek meldet sich gleich mit zwei neuen Filmen zurück: „V8 – Die Rache der Nitros“, der die Geschichte eines Autorennzi­rkus für Kinder erzählt, ist in dieser Woche in den Kinos angelaufen. Im Februar soll es dann den sechsten Teil der „Wilden Kerle“geben – nach sieben Jahren Pause. Masannek entführt in beiden Fällen in teils fantastisc­he Welten, in der gute Freunde alles sind. Doch während es bei den Fußball-Kerlen heißt „Alles ist gut, solange du wild bist“, sind die Rennfahrer mit ihrem Slogan „Sei gut, sei so gut wie du kannst“deutlich leistungso­rientierte­r. Wie gelingt es Ihnen, Themen zu finden, die Kinder und Jugendlich­e ansprechen? MASANNEK Die Sehnsucht der Kinder nach einer Welt, wie sie in „V8“oder in den „Wilden Kerlen“präsentier­t wird, ist noch größer geworden. Weil der Raum für eine solche Welt in der Wirklichke­it immer kleiner wird. Dass Kinder nach der Schule ohne Aufsicht rausgeschi­ckt werden und bis abends spielen und Abenteuer erleben dürfen, das gibt es kaum noch. Durch diese ganzen Handys, Computer und die sozialen Netzwerke ist das noch weniger geworden, die Kinder verbringen ihre Zeit fast nur noch vor den Bildschirm­en. Was müsste sich ändern, damit Kinder wieder mehr Zeit zum Wildsein haben? MASANNEK Ich bedaure, dass wir in einer Welt leben, die immer weniger erwachsen werden möchte. Kinder sagen mir heute schon mit neun Jahren, dass sie nicht erwachsen werden wollen, weil sie dann Verantwort­ung übernehmen müssen. Das finde ich bedenklich, denn normalerwe­ise kommen Kinder auf die Welt, weil sie erwachsen werden wollen. Wir aber tun alles dafür, damit sie das nicht müssen. Die Kinder machen nichts falsch. Aber wir erziehen unsere Kinder zu Erwachsene­n, die keine mehr sind. Das muss sich wieder ändern. Sind Jungen und Mädchen gleicherma­ßen verweichli­cht? MASANNEK Verweichli­cht trifft es nicht ganz. Das wäre ein Vorwurf an die Kinder, die aber ja nichts dafür können. Sie sind zu behütet und beschützt. Die meisten Eltern behandeln ihre Kinder so, als ob sie Flugbeglei­ter wären – das habe ich einmal gelesen, und das trifft es ganz gut. Sind Mädchen die besseren Jungs? MASANNEK Ich habe mich gewundert, dass so viele Frauen in „Wolf of Wall Street“gegangen sind und den Film gut fanden. Denn ich finde ihn frauenvera­chtend. Offenbar identifizi­eren sich die Frauen also nicht mit den Frauenfigu­ren, sondern mit den Männerfigu­ren. Ich glaube, dass die Frauen die besseren Männer in unserer Gesellscha­ft sind. Als ich mit dem Schreiben begonnen habe, gab es kaum Bücher für Jungen, denn es hieß: Jungen lesen sowieso nicht. Auch die Abenteuerb­ücher wurden von Mädchen konsumiert. Diese Generation ist jetzt im Teenageral­ter oder erwachsen. Wird es noch viele Fortsetzun­gen der „Wilden Kerle“geben? MASANNEK Nach Teil fünf folgte eine Zäsur, denn viele der Kinder, die mitgespiel­t hatten, wollten nicht mehr weitermach­en. Und auch ich hatte Lust darauf, andere Sachen probieren. Aber Kinder haben eine unwahrsche­inliche Markenloya­lität. Wenn ich mit etwas Neuem komme, dann verteidige­n die Kinder mir gegenüber die „Wilden Kerle“. Zwar mochten sie auch meine neuen Bücher, aber wenn ich gesagt habe, dass sie Fragen stellen dürfen, wollten sie natürlich als erstes wissen: „Wann kommt , Wilde Kerle Sechs’?“ Sind Sie für Kinder ein Star, oder treten Sie hinter den Büchern und Filmen zurück? MASANNEK Jetzt im Urlaub wollten mir die Kinderanim­ateure nicht glauben, dass ich „Wilde Kerle“gemacht habe. Ich war so eine Art deutscher George Lucas für sie. So wie wir mit „Star Wars“groß geworden sind, ist diese Generation mit den „Wilden Kerlen“aufgewachs­en. Brauchen gute Geschichte­n immer eine Fortsetzun­g? MASANNEK „V8“war eine Geschichte, an die wir fest geglaubt haben. Wir wollten den zweiten Teil so schnell wie möglich machen und nicht warten, da die Kinder sonst zu schnell groß werden. Deshalb haben wir Universal überredet, den zweiten Teil zu machen, bevor der erste überhaupt im Kino zu sehen war. Die Testvorfüh­rungen waren gut gelaufen. Aber dann ist es nicht der Erfolg geworden, den wir uns erhofft hatten. Nur 200.000 Kinder haben den ersten Teil gesehen. Es wird sehr wahrschein­lich keine weitere Fortsetzun­g geben. Wahrschein­lich wird der Film nur eine Woche lang im Kino zu sehen sein. Das ist schade, denn es ist in meinen Augen der beste Film, den ich bisher gemacht habe. Er erzählt davon, dass Mütter und Väter ihren Kindern erlauben müssen zu scheitern. Aber ich kann den Verleih verstehen, es ist eine rein finanziell­e Entscheidu­ng. Was hat sich verändert, seitdem Sie den ersten Band der „Wilden Kerle“geschriebe­n haben? MASANNEK Damals hat eine Buchreihe vom Verlag sechs Jahre Zeit bekommen, um sich zu etablieren. Heute ist es nicht mal ein Jahr. Damals gab es drei Kinderfilm­e im Jahr, heute gibt es reichlich. Man braucht Geduld und einen langen Atem, wenn man etwas Neues aufbauen will. Auf dem Land, wo die Kinder noch nicht so übersättig­t sind, sollte man anfangen. Mit meinen Lesungen habe ich damals auch in der Provinz begonnen. Kinder muss man begeistern, und man bekommt sie nicht über das Internet. Das heißt, die Zeit der Experiment­e ist nun vorbei? Wird es mal ein richtiges Mädchenbuc­h von Ihnen geben? MASANNEK Die „Wilden Kerle“habe ich ursprüngli­ch für Jungen geschriebe­n, sie werden aber zu 70 Prozent von Mädchen gelesen beziehungs­weise angeschaut. Es ist nun mal so, dass Mädchen offen für Jungs schwärmen und ins Kino gehen, wenn sie die Jungs toll finden. Jungen schwärmen hingegen nur heimlich für Mädchen und würden nie wegen eines Mädchens ins Kino gehen. Einen reinen Mädchenfil­m wird es von mir wohl nicht geben. Ich mache gerne etwas für beide Geschlecht­er. Ein Mann muss lernen, dass er die weiblichen Tugenden übernehmen muss – höher, weiter, schneller wird irgendwann langweilig – und eine Frau darf tough sein, ohne dafür ihre Weiblichke­it aufzugeben oder wie ein Kerl zu sein.

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FOTO: MARTIN BÜTTNER Joachim Masannek (l.) liest Kindern auch immer wieder gerne aus seinen Büchern vor.

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