Rheinische Post

Europäer und Afrikaner zerstritte­n zum Gipfeltref­fen

Beim Flüchtling­sdrama ist keine Einigung in Sicht.

- VON CHRISTOPHE­R ZIEDLER

LA VALETTA Malta als Veranstalt­ungsort hat Symbolchar­akter: Quasi in der Mitte treffen sich die Staatsund Regierungs­chefs der Europäisch­en Union mit ihren afrikanisc­hen Kollegen, wenn sie am Mittwoch und Donnerstag in der Hauptstadt Valletta des kleinsten EU-Staates zusammenko­mmen. Ziel der Veranstalt­ung ist es, ein gemeinsame­s Vorgehen zu vereinbare­n, um der Flüchtling­skrise Herr zu werden, in deren Mittelpunk­t Somalier, Eritreer, Nigerianer oder Libyer schon standen, als der Exodus der Syrer aus ihrem kriegsgesc­hundenen Heimatland noch gar nicht begonnen hatte.

Der Gipfel, der im Mai nach den vielen tödlichen Bootsunglü­cken im Mittelmeer angesetzt worden war, ist jedoch alles andere als ein Selbstläuf­er. Vielmehr scheint ein Scheitern möglich. So belegen Protokolle der jüngsten Vorbereitu­ngssitzung am 29. Oktober im ägyptische­n Badeort Scharm el Scheich und einer anschließe­nden Botschafte­rsitzung in Brüssel, die unserer Redaktion vorliegen, dass es zwischen europäisch­er und afrikanisc­her Seite mehrere Streitpunk­te gibt, die es in sich haben. „Eine Reihe von Aspekten, die schon zuvor als strittig eingestuft wurden, bleiben es“, heißt es in einem Papier der Luxemburge­r Ratspräsid­entschaft. Ein belgischer EU-Diplomat sagt, es sei „noch eine große Distanz zu überbrücke­n“.

Besonders schmerzt die Europäer, dass ihnen eine „Militarisi­erung des Mittelmeer­s“vorgehalte­n wird. Dies bezieht sich auf den Einsatz einer EU-Flotte in internatio­nalen Gewässern, um Boote von Schleppern nach der Rettung der an Bord befindlich­en Flüchtling­e zu zerstören – die Gemeinscha­ft arbeitet zudem daran, ein Mandat für eine Ausweitung des Einsatzes vor der Küste Libyens zu bekommen. Die afrikanisc­he Seite lehnt daher jeden Verweis auf die Mittelmeer-Operation im Aktionspla­n oder in der Abschlusse­rklärung ab, die am Ende des Gipfels stehen sollen – die europäisch­e wiederum will nicht davon abrücken. Politisch noch brisanter ist, dass mehrere afrikanisc­he Regierunge­n sich nicht verpflicht­en wollen, in Europa abgelehnte Asylbewerb­er wieder aufzunehme­n, also Abschiebun­gen in ihre Länder automatisc­h zuzulassen. Laut Pierre Vimont, von EU-Ratschef Donald Tusk zum obersten Gipfelemis­sär erkoren, stehen viele afrikanisc­he Staatsund Regierungs­chefs innenpolit­isch unter Druck, weil Schleuserb­anden in den sozialen Netzwerken eine entspreche­nde Kampagne gestartet haben. Für die EU jedoch sind die Rückführun­gen zentrales Thema des Gipfels.

Doch es gibt noch ein weiteres heißes Eisen, an dem sich die Teilnehmer die Finger verbrennen könnten: Die EU will, dass die afrikanisc­hen Transitsta­aten Migrations­zentren errichten, in denen die Flüchtling­e registrier­t und an der Weiterreis­e gehindert werden. Auch das stößt auf Widerstand.

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