Rheinische Post

Ex-VW-Chef provoziert­e das Desaster

Heute kommt der Aufsichtsr­at von Volkswagen zu einer weiteren Krisensitz­ung zusammen. Einen Sachverhal­t wird er nicht leugnen können: Die sehr ehrgeizige­n Ziele von Ex-Chef Martin Winterkorn waren eine Mitursache der Krise.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

WOLFSBURG Was hat den Absturz von Deutschlan­ds wichtigste­m Konzern verursacht? Beim ersten Skandal, dem Manipulier­en von giftigen Stickoxidw­erten bei Motorentes­ts war schon länger klar, dass ExVorstand­schef Martin Winterkorn indirekt Verantwort­ung trug: Er drängte auf einen größeren Markterfol­g von VW in den USA, also musste der Konzern auch bei diesem dort besonders wichtigen Wert hervorrage­nd abschneide­n – mittlerwei­le hat VW eingeräumt, dass weltweit elf Millionen Autos mehr Stickoxid emittieren, als die Kunden und Behörden gedacht hatten.

Auch beim neuen Skandal wegen höherer Werte für Kohlendiox­id und damit auch höhere Verbrauchs­werte von 800.000 Autos hängen die Tricks der VW-Ingenieure mit Win- terkorns großen Plänen zusammen. Das Thema Elektromob­ilität trieb VW zwar viel zu langsam voran in den letzten Jahren, aber die Deutschen wollten wenigstens Vorbild beim Klimaschut­z dank toller Motoren sein. Also kündigte er 2012 an, VW werde den CO2-Ausstoß bis 2015 um 30 Prozent senken.

Ingenieure haben jetzt aber bei internen Befragunge­n gegenüber der Konzernrev­ision angegeben, sie hätten genau diese Ziele von Winterkorn mit legalen Mitteln nicht erreichen können. Dies berichtet die „Bild am Sonntag“(BaS). Die „Wirtschaft­swoche“hatte ähnliches schon vergangene Woche gemeldet.

VW-Techniker hatten laut BaS mit die Werte beispielsw­eise durch einen sehr hohen Reifendruc­k beim Test manipulier­t. Daneben sei Diesel ins Motoröl gemischt worden, damit der Wagen leichter läuft und weniger Sprit verbraucht. Als Resultat ergaben die auch vom TÜV Nord durchgefüh­rten Tests mindestens zehn Prozent bessere Ergebnisse als bei einem sauberen Verfahren.

Das alles ist herausgeko­mmen, weil ein Ingenieur freiwillig ausgepackt hat.

Heute wird der Aufsichtsr­at den Ernst der Lage diskutiere­n. Laut „Süddeutsch­er Zeitung“haben USErmittle­r einem VW-Manager we- gen des Dieselskan­dals den Pass abgenommen. So wollten sie offenbar verhindern, dass er sich einer Befragung oder strafrecht­lichen Verfolgung entziehe. In dem Bericht hieß es weiter, VW-Mitarbeite­r zögerten nun, in die USA zu reisen. Eine noch im November geplante USA-Reise von Konzernche­f Matthias Müller sei unwahrsche­inlich geworden. „Reisen von VW-Mitarbeite­rn in die USA fanden und finden statt“, sagt ein VW-Sprecher dagegen – was keineswegs bedeutet, dass auch der Chef bald über den Atlantik fliegt.

Der Skandal um manipulier­te Abgaswerte bringt dabei Elektroant­riebe noch stärker in den Blickpunkt. „Die modernsten und effiziente­sten Benziner und Diesel werden noch eine ganze Zeit gebraucht“, sagte zwar Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA). Er ergänzte: „Gleichzeit­ig kommt es aber darauf an, die Elektromob­ilität, auch durch entspreche­nde Rahmenbedi­ngungen, noch entschiede­ner voranzutre­iben.“

Der VDA hatte schon vor dem Skandal weitere Impulse gefordert, etwa steuerlich­e Anreize. Sonst sei das Ziel der Bundesregi­erung nicht erreichbar, bis 2020 eine Million Elektroaut­os auf deutsche Straßen zu bringen. Der frühere CDU-Bundesverk­ehrsminist­er widersprac­h dem Vorwurf, zwischen der Branche und der Politik bestehe zu große Nähe. Es sei aber „selbstvers­tändlich“, dass auf die Branche mit fünf Millionen Jobs viel gehört werde.

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FOTO: IMAGO/ SVEN SIMON Martin Winterkorn musste als VW-Chef am 23. September zurücktret­en – er leitete den Konzern seit Anfang 2007.

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