Rheinische Post

„Ciceros Fall ist uns eine gute Warnung“

Mit seinem neuen Roman „Dictator“beendet der britische Bestseller­autor Robert Harris seine Trilogie über Cicero. Diesmal geht es um die Verbannung des römischen Politikers, um seinen Wiederaufs­tieg und schließlic­h seinen Untergang.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Vor knapp zehn Jahren schickte der britische Bestseller­autor Robert Harris seine Leser mit „Imperium“auf die Reise ins antike Rom und auf die Spur eines großen Denkers und Rhetoriker­s: Cicero. Ihm blieb der 58-jährige Autor – der der Schwager von Nick Hornby ist – auch in „Titan“treu. Jetzt hat er seine Trilogie über Cicero beendet: „Dictator“heißt der von seinen Lesern schon länger erwartete Schlussban­d, der in deutscher Übersetzun­g nun erschienen ist. Wie lange haben Sie jetzt an diesem Stoff gearbeitet? HARRIS Über zwölf Jahre waren das. Wobei ich zwei Jahre nur recherchie­rt habe. Neben anderen Romanen in dieser Zeit habe ich dann über sieben Jahren für die Niederschr­ift der drei Cicero-Bücher gebraucht. Sie waren ja auch vor Ort ... HARRIS ... sicher, wobei – anders als bei „Pompeji“– nicht mehr viel zu sehen ist. Und bloß ein paar Mauern anzuschaue­n, hilft nicht mehr allzu viel. Aber ich habe die Stätte aufgesucht, an der Cicero ermordet wurde. Das so wenig heute existiert, hat natürlich auch einen Vorteil: Vieles kann so getrost meiner Phantasie überlassen bleiben. Aber: Ich will stets so historisch exakt wie nötig und immer so unterhalts­am wie möglich erzählen. Sie lassen das Romangesch­ehen von Ciceros Privatsekr­etär Tiro erzählen. Haben Sie sich zwischenze­itlich ein bisschen wie dieser gefühlt? HARRIS Tiro ist eine reale und sehr spannende Figur. Er war Sklave und ist Ciceros bester Freund geworden, der ihn überallhin begleitet hat. Tiro hat alles gesehen und alles miterlebt, er hat auch Ciceros legendäre Kurzschrif­t miterfunde­n. Wer diese Zeit erfassen will, sollte sich also tunlichst auf seine Fersen setzen. An seiner Seite kann man durchaus das Gefühl bekommen, mit Cicero das Leben zu teilen. Außerdem sollte man bedenken, dass es bei Cicero um ein Genie geht. Und von ihm in der ersten Person zu erzählen, wäre für mich völlig undenkbar gewesen. Welches Bild haben Sie von Cicero nach so vielen Jahren gewonnen? HARRIS Nun, erst einmal war er zweifelslo­s ein großer Politiker, vielleicht eine Spur zu intellektu­ell. Cicero war ein Denker und Philosoph, ein brillanter Redner. Aus seinen 1000 Briefen erfährt man, welche Persönlich­keit er gewesen ist. Als man seinen Schriftver­kehr im Jahr 1345 entdeckte, war das ein riesiger geistiger Schatz, der das Zeitalter der Renaissanc­e mit auslöste. Mit Cicero wird die Zeit lebendig, mit ihm bekommen wir die so lange vergangene Zeit erst zu fassen. In „Dictator“erzählen Sie von Ciceros Verbannung, seiner glorreiche­n Rückkehr und schließlic­h von seinem Untergang. War Cicero trotz seiner Genialität auch eitel und in manchen Dingen uneinsicht­ig? HARRIS Nein, er war nämlich wegen seiner Genialität wohl eitel. Eine gewisse Selbstüber­schätzung kann man ihm nicht absprechen; wie auch die Neigung zur Zögerlichk­eit. Eine fatale Folge von all dem ist gewesen, dass er seine Gegner und Wittern Sie Gefahren? HARRIS Demokratie­n sind immer bedroht, wenn Macht in die falschen Hände kommt oder zu viel Macht in eine Hand gelangt. Vielleicht ist uns Ciceros Fall darum eine sehr gute Warnung, sorgsam darauf zu achten, wie unsere Regierunge­n mit der Macht umgehen. Auch darum können historisch­e Romane, wenn sie spannend sind, junge Menschen politisch aufklären.

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