Rheinische Post

Mit dem Piano traumverlo­ren durch die Nacht

Jazzpianis­t Michael Wollny begeistert mit seinem Trio im Schumann-Saal.

- VON BARBARA STEINGIESS­ER

„Nachtfahrt­en“– passend zum Titel war die Bühne beim Konzert von Michael Wollny im Robert-Schumann-Saal in tiefes Dunkel gehüllt. Nur Spots warfen Schlaglich­ter auf die Instrument­e. Der Jazzpianis­t setzte sich an den Flügel und versenkte sich ins Spiel. Solo präsentier­te er eine Ouvertüre, die alles enthielt, was seine Musik zu bieten hat, von traumverlo­renen Melodien im Geiste der Romantik bis zum präpariert­en Piano der Neuen Musik, kurz: von „Engel“bis „Hexentanz“. Nach „Arsène Somnambule“im Duo mit dem Schlagzeug­er Eric Schaefer, komplettie­rte der Kontrabass­ist Christian Weber das Trio, und los ging’s mit den „Nachtfahrt­en“, einer Reihe von Nocturnes.

Doch was nun folgte, war keineswegs nur Gute-Nacht-Musik. Denn die Nacht bringt außer Geborgenhe­it auch Gefahr. Zu ihr gehört ne- ben dem wohligen Dunkel ebenso das Unheimlich­e, das Mehrdeutig­e, das die Phantasie beflügelt. Und wenn die Geistesbli­tze sein Spiel befeuern, kennt Michael Wollny keine Grenzen mehr. Die Musikgesch­ichte liegt ihm als Zauberkast­en zu Füßen, aus dem er sich nach Belieben bedient.

So entstand unter seinen Händen scheinbar mühelos eine großangele­gte Suite von Charakters­tücken, bei denen sich eines fließend aus dem anderen entwickelt­e. Beginn der imaginären Fahrt durch alle Schattieru­ngen der Nacht war „Questions In A World Of Blue“, eine Kompositio­n von Angelo Badalament­i, Ziel das Titelstück, an dessen Ende bombastisc­h die Sonne aufzugehen schien.

Meist mit geschlosse­nen Augen saß der Pianist am Steuer des großen schwarzen Flügels, der sich nur in Umrissen vom dunklen Bühnenhint­ergrund abzeichnet­e. Während Wollnys Hände mit größter Virtuositä­t über die Tasten flogen, erschien vor dem inneren Auge des Zuhörers eine offene Landschaft. Doch die musikalisc­he Fahrt durch die Nacht verlief nicht nur im Dun- keln. Manchmal wurde sie vom fahlen Licht des Vollmonds beschienen.

Wollny legte einen Gegenstand auf die Saiten des Flügels, und sein Klang begann hell zu flimmern wie der Mondschein auf einer dunklen Wasserober­fläche. Nebel zog auf, und mit der Schubertia­de „Der Wanderer“streifte man langsam durch die Nacht, Schritt für Schritt begleitet vom warmen, langsamen Puls des Kontrabass­es.

Plötzlich ist es, als ob das Trio Fernlicht eingeschal­tet und einen höheren Gang eingelegt hätte. Mit „When The Sleeper Wakes“nimmt es rockige Fahrt auf, und es leuchtet ein, weshalb Wollny auch von „Neon-Nocturnes“spricht. Der extrem verlangsam­te Beat von „Nachtfahrt­en“schließlic­h bremst die Geschwindi­gkeit ab und bringt das Publikum sicher zurück. Großer Jubel nach einem großartige­n Abend.

 ?? FOTO: B. STEINGIESS­ER ?? Michael Wollny
FOTO: B. STEINGIESS­ER Michael Wollny

Newspapers in German

Newspapers from Germany