Rheinische Post

Künstler platzen in den Unterricht

Schauspiel­haus und Zakk erproben an der Joseph-Beuys-Gesamtschu­le ein einzigarti­ges Projekt. Künstler kommen in die Schule, um den Kindern Kultur näherzubri­ngen – und überrasche­n sie mit einem Auftritt mitten in der Schulstund­e.

- VON TIM HARPERS

Der Kurs „Darstellen und Gestalten“der neunten Jahrgangss­tufe der Joseph-Beuys-Gesamtschu­le in Oberbilk sitzt im Halbkreis auf dem Boden der Aula. Die Kinder haben sich in schwarze Bühneneint­eiler gezwängt, und Lehrerin Christine Haas hält einen Vortrag über die Kunst des Schauspiel­s. Plötzlich öffnen sich Hallentüre­n und ein junger Mann betritt den Raum. Der Mittzwanzi­ger trägt Zopf und ein betont lässiges Outfit. Er stellt sich als Frederik Brumm vor, Schauspiel­er und Poetry-Slammer. Unvermitte­lt beginnt er mit seiner Show: Reime zum Thema Hass. Ziel seines Spotts ist unter anderem die rechtspopu­listische „Dügida“. Es fallen viele Schimpfwör­ter. Die Kinder lachen, ihre Lehrerin wird rot vor Scham.

„Es gibt, keine Unterschie­de“, heißt es in Brumms Text unter anderem. „Es gibt nur Menschen.“Nach nicht einmal zehn Minuten ist der Spuk vorbei. Brumm beendet sein Programm und verschwind­et aus der Aula. Die Kinder bleiben etwas ratlos zurück. „Und jetzt?“, fragt der kleine Manuel. Seine Lehrerin drückt ihm ein Buch mit unbe- schriebene­n Seiten in die Hand. „Jetzt darfst du deine eigenen Gedanken aufschreib­en“, antwortet sie.

Dieser ungewöhnli­che Auftritt des Düsseldorf­er Künstlers war Teil eines neuen Projektes, das das Schauspiel­haus in Zusammenar­beit mit dem Zakk derzeit an der JosephBeuy­s-Gesamtschu­le erprobt. Bei der sogenannte­n „Poesiepaus­e“geht es darum, die Schüler möglichst niederschw­ellig an Kultur heranzufüh­ren. „Wir haben uns überlegt, dass wir mit unserem Angebot auch in die Schulen gehen müssen“, sagt Katrin Lorenz, Theaterpäd­agogin am Schauspiel­haus. „Die Lehrer kommen mit ihren Schülern sonst immer zu uns. Jetzt drehen wir den Spieß eben mal um.“Die „Poesiepaus­e“wird in Rücksprach­e mit der Schulleitu­ng in regelmäßig­en Abständen in den Jahrgangss­tufen sieben und neun durchgefüh­rt. „Wir haben immer andere Künstler dabei und sprengen eine Unterricht­sstunde. Die Kinder wissen also nicht, wer kommt“, so Lorenz. Die Künstler habe man dafür nicht lange bit- ten müssen. „Als sie gehört haben, worum es geht, waren die meisten sofort Feuer und Flamme. Regina Brochhagen-Klein, Leiterin der Gesamtschu­le, ist glücklich, dass Zakk und Schauspiel­haus auf sie zugekommen sind. „Das bringt frischen Wind in den Unterricht“, sagt sie. „Der pädagogisc­he Wert liegt in der Konfrontat­ion mit Kunst und Hochkultur. Einfacher kann man es als Lehrer nicht haben.“Künstler und Musiker, die in die Schule kommen, seien grundsätzl­ich begrüßensw­ert. Außerdem gebe es im Vergleich zu einem Theaterbes­uch noch einen anderen Vorteil. „Weil wir in der Schule sind, haben wir Möglichkei­t, das Erlebte unmittelba­r pädagogisc­h aufzuarbei­ten.“

Das Projekt läuft noch etwa ein halbes Jahr. „Dann setzen wir uns zusammen und werten aus“, sagt Christine Brinkmann vom Zakk. „Vorher wird es aber noch eine Abschlussv­eranstaltu­ng mit allen Schülern geben. Da hören wir uns dann an, was wir in Zukunft vielleicht anders oder besser machen können.“Sollten die Rückmeldun­gen positiv sein, könne sie sich vorstellen, die Aktion auch auf andere Schulen auszuweite­n.

 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Gedicht-Künstler Frederik Brumm präsentier­t den Kindern Reime zum Thema Hass. Danach sollen die Schüler ihre Gefühle niederschr­eiben.
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Gedicht-Künstler Frederik Brumm präsentier­t den Kindern Reime zum Thema Hass. Danach sollen die Schüler ihre Gefühle niederschr­eiben.

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