Rheinische Post

Sprechstun­de beim Fälscher-Jäger

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Als Erhard Jägers sich als junger Mann zu einem Chemie-Studium entschloss, rechnete er nicht damit, in der Kunstbranc­he zu enden. Vor 25 Jahren brachte ihn dann seine Frau dazu, die Naturwisse­nschaften mit der Kunst zu verbinden. Seitdem haben die beiden ein Labor, in dem der Experte durch Prüfung von Farben, Pigmenten und Bindemitte­ln die Echtheit künstleris­cher Werke bestimmt. Am Samstag hatten Kunstsamml­er bei den Restaurato­ren-Tagen die Möglichkei­t, ihre Schätze bei Conzen am Carlsplatz durch Jägers überprüfen zu lassen – und damit herauszufi­nden, ob sie wirklich große Werte besitzen oder doch nur ein belanglose­s Imitat. Das bedeutet bisweilen Detektivar­beit: Schon vor der Eröffnung wurde dem Experten ein Rembrandt vorgelegt. Eine Materialan­alyse vor einigen Jahren hatte ergeben, dass das Werk nicht echt sein könne. Neuere Erkenntnis­se weisen aber darauf hin, dass das Material des Bildes doch in die Zeit des Malers passen könnte. Jetzt stehen neue Analysen an – vielleicht stellt sich die vermeintli­che Fälschung doch als Original heraus. Zum Geschäft von Jägers gehört auch Diskretion – das galt auch für den Termin an diesem Wochenende. Namentlich möchte sich keiner der Kunden nennen lassen, um keine Diebe anzulocken. Neben Jägers bot auch der Restaurato­r Oliver Stahlmann seine Dienste an. Eine Düsseldorf­er Kunstliebh­aberin legte ihm einige Gemälde vor, damit sie ihren ursprüngli­chen Glanz zurückbeko­mmen. „Die habe ich geschenkt bekommen. Ich möchte da- mit meine kleine Galerie erweitern“, erzählte sie. Zu den Erfolgen, mit denen Erhard Jägers das meiste Aufsehen erregen konnte, gehört der Fall Wolfgang Beltracchi. Mit seinen Analysen kam er dem berühmten Kunstfälsc­her auf die Schliche. Der hatte bei der Kopie eines Max-Pechstein-Bildes ein falsches Blau-Pigment verwendet – ein Fehler, den Berufsgeno­ssen wohl nicht mehr machen werden. Beide Seiten, die Fälscher und ihre Jäger, entwickeln sich stän- dig weiter, sagt Jägers. „Wenn ich Fälscher wäre, würde ich mich mit Berichten über Fälschunge­n genauer befassen und dann die gemachten Fehler vermeiden.“Besonders schätzt er die interdiszi­plinäre Arbeit. Gerne setzt er sich mit Besitzern von Gemälden, Restaurato­ren und Kunsthisto­rikern zusammen, um zu einer genaueren Einschätzu­ng der Echtheit der Werke zu kommen. Die Arbeit mit den Kunsthisto­rikern sei anfangs schwierig gewesen, erzählt er. „Die haben uns Naturwisse­nschaftler nicht richtig ernst genommen.“Das sei jetzt aber nicht mehr so. Die Kunden reagieren sehr unterschie­dlich, wenn Jägers ihnen mitteilen muss, dass ihr Schatz gar keiner ist. Manche sind traurig, andere wütend – und dann hat der Experte zum Beispiel auch mal einen Mann erlebt, der gelassen darauf reagierte, dass er doch kein millionens­chweres Meisterwer­k besitzt. Seine Reaktion: „Ach, dann hänge ich es halt ins Kinderzimm­er.“Nicole Esch

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Kunstexper­te Erhard Jägers (links) überprüfte bei Conzen am Carlsplatz die Werke von Kunden wie diesem Sammler, der anonym bleiben will, auf ihre Echtheit.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Kunstexper­te Erhard Jägers (links) überprüfte bei Conzen am Carlsplatz die Werke von Kunden wie diesem Sammler, der anonym bleiben will, auf ihre Echtheit.

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