Hofkultur für alle
Bei den Hinterhoflesungen treffen Alltag und Literatur aufeinander. Die Macher wollen an ungewöhnliche Lese-Orte einladen.
Es gibt den einen großen HinterhofMoment, und der ist, wenn die Tür aufgeht. Wer mal dabei war, weiß das, es passiert garantiert immer: Irgendwann öffnet sich zum Hof eine Tür, und im Rahmen steht dann einer mit dem Fahrrad über der Schulter und schaut verdutzt herum. Manchmal kommen die Leute auch zurück, mit vollen Taschen aus dem Supermarkt etwa, und dann wollen sie ihre Haustür aufschließen, aber da sitzen zwei oder drei auf der Schwelle und hundert andere sind auch noch da. Gleicher Effekt: Irritation, Neugier, weil Menschen unerwartet in eine Lesung ge- Rauschen von der nächsten Hauptstraße, und wenn ein Krankenwagen in der Nähe mit Sirene und Vollkaracho vorbeifährt, müssen die Lesenden kurz unterbrechen, weil’s so laut ist. Dann schlägt die Wirklichkeit ein, und das Fiktionale hat kurz Pause.
Den Text kann der Soundtrack der Stadt zuweilen sogar unterstützen. „Manche Autoren reagieren auch auf die Umgebung“, sagt Pamela Granderath, die die Lesungen seit 2013 gemeinsam mit Christine Brinkmann vom Zakk organisiert. Sie sei damals so fasziniert von Düsseldorfs Höfen gewesen, von den schönen, wie von den hässlichen, sagt Granderath. „Die gehören ja auch dazu.“Und diese Höfe kamen wie gerufen, für eine neue Lesereihe an anderen Orten, die sich die Lyrikerin wünschte. „Mittlerweile gibt es ja in jeder Pommesbude einen Poetry Slam“, sagt Granderath, die seit vielen Jahren den Dichterwettstreit im Zakk moderiert.
Über 30 bis 40 Besucher hätten sie sich anfangs gefreut, sagt Granderath, zur Premiere vor vier Jahren waren es dann aber gleich 70 und zu dritten Lesung kamen hundert. Da trat auch Tilman Rammstedt auf, der Bachmann-Preisträger von 2008. Ein sehr bekannter, ein bekannter und ein unbekannter Autor sind jeweils zu den Lesungen eingeladen, die an wechselnden Orten stattfinden und die so gut funktionieren, weil neben dem üblichen Literaturpublikum auch Menschen aus der Nachbarschaft kommen, die mal gucken wollen. Der Eintritt ist frei. In der Pause kaufen sie sich Eis am Stil am nächsten Büdchen – das sind die besten Abende, wenn es richtig schön warm ist.
Anfangs haben die Veranstalter die Hofbesitzer angesprochen, mittlerweile melden die sich: Hallo, wir haben auch einen Hof! „Wir sind bemüht, nicht immer in die gleichen Stadtteile zu gehen“, sagt Granderath. Die Höfe jedenfalls doppelten sich bislang nicht. In diesem Jahr gibt es die Auftaktlesung in Flingern, dort ist eine Druckerei Gastgeberin, in der Woche darauf geht es in den Hof einer Schreinerei in Oberkassel. Man nehme sich jetzt mal den Mittelstand vor, sagt Granderath. Für Lesung drei geht es in den Hof einer Kinderinitiative in Friedrichstadt. Na gut, das ist kein Mittelstand. Aber der Verein betreibt immerhin einen eigenen Weinladen.
Los geht es am 11. August mit den Autoren Selim Özdogan, Pierre Jarawan und Luzie Schwieder. Der eine las jüngst auch beim BachmannPreis, der andere liest aus seinem Romandebüt und Luzie Schwieder ist 17, kommt aus Düsseldorf und wird ihr Romanprojekt vorstellen. „Von der werden wir in den nächsten Jahren sicher noch viel hören“, sagt Granderath. Erstmal ist sie jetzt aber im Hof zu hören.