Rheinische Post

Franziska und Melanie zelebriere­n ihre Verbundenh­eit im Internet.

Für viele Mädchen ist die beste Freundin die wichtigste Bezugspers­on. In sozialen Netzwerken zelebriere­n sie öffentlich und mit viel Herzblut ihre Verbundenh­eit – nicht nur am heutigen internatio­nalen Tag der Freundscha­ft.

- VON EMILY SENF

DÜSSELDORF Franziska Langer und Marie Hillebrand­t sind beste Freundinne­n, und das soll jeder wissen. Fast jeden Tag posten die beiden 16Jährigen gemeinsame Fotos und Videoaufna­hmen von sich in den sozialen Netzwerken. Sie möchten, dass ihre Freunde bei Facebook, Instagram und Snapchat mitkriegen, dass es keinen wichtigere­n Menschen für die Mädchen gibt als den jeweils anderen. Warum? „Ich will, dass andere wissen, dass sie Meine ist“, sagt Marie. Franziska lächelt. So einfach ist das.

Beste Freundinne­n hat es schon immer gegeben, doch sie bleiben ein Phänomen. Auch deswegen, weil es heute immer mehr Kanäle gibt, auf denen die gegenseiti­ge Verbundenh­eit nach außen getragen werden kann – und wird, bisweilen bis auf die Spitze. Denn gerade junge Mädchen zelebriere­n ihre beste Freundin groß und öffentlich in den Netzwerken, laden Fotos hoch, verschicke­n Smileys mit Kussmund und viele, viele Herzchen.

Dadurch nimmt nicht mehr nur ihr engster Kreis an der Freundscha­ft teil, sondern alle Menschen in ihren Kontaktlis­ten bekommen es mit. Das habe den sozialen Druck auf beste Freundinne­n deutlich erhöht, sagt der Münchener Sprachfors­cher Martin Voigt. Der 31-Jährige hat in seiner Doktorarbe­it untersucht, wie soziale Netzwerke Mädchenfre­undschafte­n verändern. Mit immer mehr Fotos und öffentlich­en Nachrichte­n würden sie sich ihre Zuneigung gestehen wollen. „Es geht dabei schlicht um Selbstinsz­enierung“, sagt Voigt. „Man will dazugehöre­n.“Als Anerkennun­g gibt es ein Like – je mehr, desto besser.

Wenn Franziska und Marie, die nach den Sommerferi­en in die zehnte Klasse kommen, sich gegenseiti­g Nachrichte­n schreiben, was sie häufig tun, verwenden sie nur wenige Smileys. „Brauchen wir nicht“, sagt Marie. „Wir wissen, wie die andere es meint.“Sobald allerdings Außenstehe­nde zugucken, verändert sich der Schreibsti­l der Mädchen. Dann benutzen sie Herzen, Küsse, ein Emoticon, dass zwei Mädchen zeigt, die sich an der Hand halten. Sie nennen sich „Mein Mädchen“, „Baby girl“, „Schatz“und „Meine bessere Hälfte“.

Auch Sprachfors­cher Voigt hat dieses Phänomen bei seinen Untersuchu­ngen entdeckt. Beste Freundinne­n würden sich mit ihren Posts, Fotos und Kommentare­n gegenseiti­g hochschauk­eln: „Ich liebe dich so sehr, du bist die Beste, ich will dich nie mehr verlieren.“Viele dieser Liebesbeku­ndungen kommen ohne Punkt und Komma aus, die digitalen, auf der Seite liegenden Herzchen <3 oder x3 fehlen selten. Drei Punkte am Ende eines Satzes sollen ihn weich ausklingen lassen. Die Phrasen unterschei­den sich häufig nur in der Anzahl der Vokale „i“und „e“– mit „ich liiiiiebe dich“oder „Schatziiii“kommt die Zuneigung noch besser zur Geltung. „Die Huldigung der Freundin ist teilweise hochdramat­isch und hochemotio­nal“, sagt Voigt. „Es muss ja irgendwie nach außen wirken.“Doch eine so öffentlich­e Beziehung zu pflegen, sei schwierig, meint Voigt. Kommt das „Gefällt mir“zum neuen Profilbild zu spät oder ist der Kommentar nicht lobend genug, gebe es Knatsch.

Wichtig sei den Mädchen die Aussage: Wir gehören zusammen – und wehe, jemand mischt sich ein. Damit stärken die Teenager ihre Rolle in der Gruppe, hat Voigt herausgefu­nden. Besonders beliebte Mädchen der Klasse geben im Internet den Ton an: Wie muss ich mich zeigen? Wer hat die meisten Freunde? Welches Foto erzielt viele Likes?

Doch Franziska und Marie stehen sich auch offline sehr nahe. Sie besuchen seit der fünften Klasse die gleiche Schule, das Otto-HahnGymnas­ium in Monheim. Richtig kennengele­rnt haben sie sich aber erst, als beide die achte Klasse wiederhole­n mussten. Schnell zeigten sich Ähnlichkei­ten: Sie verbringen ihre Freizeit am liebsten auf dem Reiterhof, hören die gleichen Lieder und steuern beim Shoppen intuitiv die selben Klamotten an. „Manchmal haben wir das Gleiche an, nur in anderen Farben“, berichtet Marie.

Fast ihre ganze Freizeit verbringen die Mädchen zusammen, sogar in den Urlaub sind sie gemeinsam gefahren. „Wenn ich mal zwei Tage nicht von Franzi spreche, fragen meine Eltern mich, was los ist“, sagt Marie und lacht. So lange hat auch ihr längster Streit gedauert, zwei Tage nämlich. Wirklich gestritten hätten sie aber nicht. „Wir haben nur nicht miteinande­r gesprochen“, sagt Marie. „Aber dann musste ich ihr dringend was erzählen, also haben wir uns wieder vertragen.“

Der Berliner Psychother­apeut Wolfgang Krüger erklärt: „Gerade in der Pubertät sind Freundscha­ften zwischen Mädchen einer Liebesbezi­ehung sehr ähnlich.“So könne schon eine Umarmung zwischen zwei Freundinne­n unendlich rührend, zärtlich, fast leidenscha­ftlich sein. Dazu müssten die Mädchen im Zusammensp­iel mit ihrer besten Freundin lernen, eine Beziehung zu gestalten. „Sie lernen, was sie wollen, was sie vom anderen erwarten und wie man emotionale Offenheit zeigt“, sagt er. „Man kann Freundscha­ftsbänder, -ketten und Poesiealbe­n, die immer noch gefragt sind, belächeln, aber mit ihnen formen Mädchen ihre Freundscha­ftsfähigke­it für den Rest ihres Lebens.“

Franziska und Marie verbringen die Schulpause­n zusammen, gehen gemeinsam zur Toilette und telefonier­en sofort, wenn sie nach Hause kommen – manchmal bis zum Einschlafe­n. Sie teilen Geheimniss­e, die niemand sonst weiß. Die beste Freundin ist sogar wichtiger als der Freund. „Mit ihm kann ja irgendwann Schluss ein, aber Franzi ist immer für mich da“, sagt Marie.

„Freundscha­ften zwischen Mädchen sind einer Liebesbezi­ehung sehr ähnlich“Wolfgang Krüger Psychother­apeut

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FOTOS: ANDREAS ENDERMANN Franziska Langer (r.) und Marie Hillebrand­t (beide 16) sind seit zwei Jahren unzertrenn­lich. Ab und zu tragen sie sogar die gleiche Kleidung. Ihre Freizeit verbringen die beiden oft auf dem Reiterhof.
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Am Knöchel tragen die Mädchen Freundscha­ftsbänder aus dem gemeinsame­n Sommerurla­ub.

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