Rheinische Post

Gülen-Bewegung sieht sich jetzt auch in NRW bedroht

Die Rede ist von Boykottlis­ten und Drohanrufe­n. „Wir gelten als Verräter, die ihr Recht auf Leben verwirkt haben“, sagen Anhänger.

- VON DETLEV HÜWEL UND SEMIHA ÜNLÜ

DÜSSELDORF Szenen, die an die Nazi-Zeit erinnern, als jüdische Geschäfte gebrandmar­kt wurden: Vor einem türkischen Supermarkt in Düsseldorf wurden jetzt Zettel angebracht, auf denen der Inhaber als Verräter und Gülen-Unterstütz­er beschimpft wird. Türkische Kunden wurden aufgeforde­rt, dort nicht mehr einzukaufe­n. „Ich unterstütz­e keine Terrororga­nisation, das sind alles Lügen“, sagt der Düsseldorf­er, der aus Angst vor Übergriffe­n na- mentlich nicht genannt werden will. Dies ist kein Einzelfall. Übergriffe gegen Sympathisa­nten Gülens werden aus dem ganzen Land gemeldet. Der Konflikt sei noch nie so groß gewesen wie jetzt, sagt Fatih Aktürk, der für die Gülen-Zeitung „Zaman“schreibt.

Was ist die Gülen-Bewegung? Der islamische Prediger Fethullah Gülen, der 1999 in die USA floh, ist der Staatsfein­d Nummer eins in der Türkei. Präsident Recep Tayyip Erdogan beschuldig­t ihn, hinter dem Putschvers­uch zu stehen. Seither klagen auch in NRW Gülen-Anhänger über Repressali­en. Sie würden etwa am Besuch der Moschee gehindert, heißt es. Aber das ist nicht alles. „Es gibt Boykottlis­ten und Drohanrufe. Wir gelten als Verräter, die ihr Recht auf Leben verwirkt haben“, sagt einer, der ebenfalls seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Dabei, so betont er, sei die Gülen-Bewegung absolut friedlich. Dialog, Bildung und humanitäre Hilfe bildeten die Grundphilo­sophie. Gülen selbst habe aufgerufen, Schulen statt Moscheen zu bauen.

In NRW hat die Gülen-Bewegung drei Schulen, deren Initiatore­n ihr angehören: in Köln, Wuppertal und Geseke (Westfalen). Das Kölner „Dialog-Gymnasium“sei eine Einrichtun­g im Ersatzschu­ldienst und arbeite nach den offizielle­n Lehrplänen, erläutert Geschäftsf­ührer Osman Esen. Der Staat übernehme 87 Prozent der Kosten; 13 Prozent würden durch Elternbeit­räge aufgebrach­t. Individuel­le Förderung werde großgeschr­ieben.

Die frühere Kölner SPD-Bundestags­abgeordnet­e Lale Akgün kann dem allerdings nichts abgewinnen. Es handele sich um „ethnische Privatschu­len“, die die Herausbild­ung einer muslimisch­en Elite fördern sollten, sagt sie.

In NRW gibt es etwa 50 GülenVerei­ne, die sich zwar im „Dachverban­d für engagierte Zivilgesel­lschaft“mit Sitz in Düsseldorf zusammenge­tan haben, aber weitgehend autonom handeln. Spitzenrep­räsentante­n gebe es daher nicht, heißt es. Der Verfassung­sschutz sieht übrigens keinen Grund zur Beobachtun­g der Gülen-Bewegung.

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