Rheinische Post

UND DIE WELT Auschwitz stellt auch die Frage nach Gottes Allmacht

Der Papst-Besuch im Konzentrat­ionslager ist ein Bekenntnis – und eine wichtige Stellvertr­etung: für Gottes Macht mitzuleide­n.

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Der Pontifex am Ort des einstigen Massenmord­ens, der Stätte schlimmste­r, unmenschli­chster Grausamkei­t. Natürlich ist das eine gute, wichtige Geste. Ein Bekenntnis auch. Die Frage bleibt, wo einer seiner Vorgänger in der Zeit des Nationalso­zialismus gewesen ist – Pius XII. also. Sein Vorgänger hat sich damals zu Wort gemeldet mit seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“; aber Pius XII. blieb weitgehend tatenlos, der Verfolgung und der Ermordunge­n von vielen Millionen Juden entgegenzu­wirken. Päpste sind nur Menschen, manchmal irrend, manchmal verzagt. Ihre sogenannte Unfehlbark­eit ist ein Kirchenpol­itikum des 19. Jahrhunder­ts und so gut wie nie rechtlich eingesetzt worden. Doch die Päpste der römisch-katholisch­en Kirche nennen sich auch Stell- vertreter Christi auf Erden und Diener Gottes. Und wenn diese versagen und ihre Kräfte einfach nicht ausreichen, unfassbare­s Leid unter den Menschen zu verhindern, so bleibt die Frage nach Gott selbst. Vor allem nach Gottes Allmacht. Theodizee nennen das die Theologen – die Rechtferti­gung Gottes im Angesicht menschlich­er Katastroph­en. Man muss diese Frage nach Gottes Gerechtigk­eit stellen dürfen, weil auch sie zu einem Prüfstein des Glaubens wird. So haben die Menschen sie immer wieder gestellt und verschiede­ne Antworten darauf gefunden. Wobei manche schon die Fragestell­ung für ungültig erklärten, da der Mensch mit seinem Verstand gar nicht in der Lage sei, Gottes Macht, Güte und Recht zu verstehen. Gott entziehe sich unserem Geist und unserer Logik. Der Schöpfer trägt sei- nen Grund in sich. Andere klagen Gott an und verzweifel­n an ihrem Glauben. Und einige sehen Gottes Macht gespiegelt in Gottes Fähigkeit, mitzuleide­n. Ist Gott also auch in Auschwitz gewesen? Davon sind viele überzeugt. „Wenn es für uns keinen Gott in Auschwitz gibt, wie soll es ihn dann für uns anderswo geben?“, hat der Münsterane­r Theologe Johann Baptist Metz gefragt. Niemals kommen wir Christen hinter Auschwitz zurück – und über Auschwitz hinaus kommen wir nur mit den Opfern von dort. Das sei, so Metz, „der Preis für die Kontinuitä­t des Christentu­ms“. In diesem Sinn war der Besuch des Papstes mehr als ein Bekenntnis – es war auch eine bedeutsame Stellvertr­etung.

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