Rheinische Post

Musik ist nicht mehr so ihr Ding

Superstar Rihanna trat im Rheinenerg­ie-Stadion in Köln vor 31.000 Fans auf. Die rund 90-minütige Show geriet indes dürftig. Die 28-Jährige gehört zu jenem Typus Popstar, der sich nicht mehr in erster Linie über die Musik definiert.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

KÖLN Irgendwann während dieses in jeder Hinsicht mageren Auftritts fragte man sich, ob Musik vielleicht einfach nicht mehr so ihr Ding ist. Rihanna wirkte stellenwei­se wie die Parodie einer Sängerin, den Hit „Work“etwa sang sie nur gelegentli­ch mit, „Rude Boy“gar nicht, was das Stück wie eine Instrument­alversion wirken ließ, und ansonsten beschränkt­e sie sich größtentei­ls darauf, Playback mit Lautmalere­i zu verzieren. Für Heiterkeit unter Zynikern sorgte dann die Stelle, als sie „Come On!“rief, während ihr Gesang vom Band kam: Sie feuerte tatsächlic­h ihr eigenes Playback an. bungen und Projektion­en Rihanna zu bleiben, also alles logisch und möglich erscheinen zu lassen. Ja, ihr Job ist es im Grunde nur noch, anwesend zu sein.

Selbst diese Aufgabe erfüllte sie indes nicht voll befriedige­nd. Sie ließ eine Stunde auf sich warten, sie spielte kaum 90 Minuten ohne Zugabe, und ihre Show, die man bitte nicht Konzert nennen möge, war ein Rätsel. Rihanna begann mit einer Ballade, mit dem schönen „Stay“, das war noch verheißung­svoll, so ein ruhiger Beginn ist ungewöhnli­ch in der Champions League des Pop. In einem weißen Boxermante­l schritt sie durchs Publikum zu einer kleinen Bühne mitten im Auditorium. Sie trug einen Anzug, der vorne lang und hinten gar nichts war, und als sie einen Plexiglas-Steg über den Köpfen der Zuschauer betrat und sich bückte, konnte jeder bis nach Jericho sehen. So sieht Laszivität aus, wenn man sie vor einem Werbebanne­r von Gaffel Kölsch ausprobier­t. Mancher Kommentato­r hält das für weibliche Selbstermä­chtigung, in Wirklichke­it ist es billig und – Verzeihung – echt asi.

Als Rihanna auf der Hauptbühne angekommen war, fragte man sich, was die Zellophanf­olie da soll, die überall he- rumlag. Sie wurde im Verlauf des Abends zu hässlichen, Engerling-artigen Gebilden zusammenge­scho

ben und später zu einer Bahn gestrafft, über die Schaum auf die Bühne rutschte. Sinn: unklar. Mehr Deko war nicht. Rihanna tanzte vor dieser Landschaft des Ungefähren, das heißt, sie ging mitunter in die Knie und ließ die rechte Hand über dem Großraum Venushügel kreisen. Manchmal packte sie auch zu, dazu streckte sie ihre Zunge raus, und direkt danach lachte sie auf sparsamer Flamme, als wolle sie sagen: Ist nur Spaß. Das Publikum war in der Mehrheit weiblich, manche hatten sich schick gemacht, Kleid und hohe Hacken, bisschen Pailletten. In der Bahn zum Stadion wurde flaschenwe­ise „Hugo Rosé“getrunken, und einige männliche Gesichter meinte man aus dem „Aktuellen Sportstudi­o“zu kennen. Die Stimmung war gediegen, Euphorie kam nicht auf. Rihanna wirkte auf hohem Niveau abwesend, ein chromversp­iegelter Körper im Irrlicht. Ihren Welthit „Umbrella“, auf den sich viele gefreut hatten, spielte sie in einer verstümmel­ten Version, die nach dem zweiten Refrain abbrach und in das Lied „All Of The Lights“überging, das wiederum nach dem ersten Refrain abbrach. Das Publikum wartet auf solche Hits, an diesen Liedern hängen Erinnerung­en, aber Rihanna ist das offenbar egal, vielleicht weil sie selbst nicht an ihr Werk glaubt. Sie war zumindest an diesem Abend weit weg von der Lässigkeit, die man ihr zuschreibt, das dokumentie­rt auch die Auflage, dass keine Pressefoto­grafen kommen durften. Offenbar will sie nicht, dass man die Wahrheit abbildet.

Ihr Lied „Diamonds“widmete sie dann den Opfern des Terroransc­hlags in München. Die 28-Jährige streute ein paar Begriffskr­ümel von der Ethiktheke ein, „Love“und „Peace“, und auch die Deutschlan­dFahne ließ sie flattern. Wie ernst und echt dieser Moment der Andacht war, merkte man, als er vorbei war. Da fragte sie ungerührt: „Seid ihr gut drauf? Ja? Lauter!“.

Irgendwie traurig war man also beim Verlassen des Stadions. Man wusste nicht, ob da gerade die Wirklichke­it zerhauen worden oder ein Traum zerplatzt war. Am Ausgang gab es dann noch Rihanna-T-Shirts. Darauf stand das Wort „Role Model“, also Vorbild. Es war durchgestr­ichen. Preis: 35 Euro.

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