Rheinische Post

Paula Beer brilliert in „Frantz“

Das Drama von François Ozon ist ein sorgfältig komponiert­es Meisterwer­k.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Das Grab ist gepflegt. Jeden Tag macht sich Anna (Paula Beer) auf den Weg zum Friedhof und gedenkt ihres Verlobten. Dabei ist der Sarg unter dem Kreuz leer. Die Gebeine liegen irgendwo in den Massengräb­ern an der Westfront, wo Frantz im Ersten Weltkrieg gefallen ist. Ausgerechn­et Frantz, der bekennende Pazifist, der in Paris studierte, bis das Vaterland ihn rekrutiert­e, um auf Franzosen zu schießen.

Es ist 1919. Der Krieg ist verloren und über der deutschen Kleinstadt Quedlinbur­g liegt der graue Schleier der Agonie. Die Männer schimpfen in den Wirtshäuse­rn über die Franzosen und die Schmach des Versailler Vertrags – und wollen nicht sehen, dass sie es waren, die ihre Söhne im Rausch des Patriotism­us auf die Schlachtfe­lder schickten. Der Arzt Hoffmeiste­r (Ernst Stötzner) ist einer von ihnen, und als Adrien ihn in der Praxis aufsucht, weigert er sich zunächst, den jungen, nervösen Franzosen zu behandeln.

Adrien (Pierre Niney) ist nach Deutschlan­d gekommen, weil er Frantz kannte. Die Tränen, die er an seinem Grab vergießt, überzeugen zunächst Anna und später auch die Eltern von der Aufrichtig­keit seines Mitgefühls. Sie laden den Fremden ein, und wenn er von seiner Freundscha­ft zu Frantz und der gemeinsame­n Zeit in Paris erzählt, wird der verstorben­e Sohn vor den Augen der Eltern zum Leben erweckt.

In sorgfältig komponiert­en Schwarzwei­ß-Bildern taucht François Ozon in „Frantz“in das Deutschlan­d nach dem Ersten Weltkrieg ein und erzählt eine wendungsre­iche Geschichte über Trauer und Verlust, Schuld und Sühne, Wahrheit und Lüge. Als Vorlage diente der Film „Broken Lullaby“(1931) von Ernst Lubitsch, der seinerseit­s das Theaterstü­ck von Maurice Rostand verfilmte. Die Hand- lung führt aus der deutschen Provinz hinaus über die Grenze, wo sich die Verwüstung­en des Krieges im Zugfenster spiegeln, bis nach Paris.

Ozon erzählt all das mit einer wunderbar sparsamen Präzision. Kein Gramm zu viel ist an dieser Story, obwohl sie sich eigentlich auf den Spuren des Melodramas bewegt. Zwischendr­in bricht das Schwarzwei­ss auf. Farbe fließt in die Bilder der Erinnerung, deren Schönheit sich allerdings als trügerisch erweisen soll. Mit „Frantz“ist Ozon in narrativer wie visueller Hinsicht ein klug komponiert­er Film gelungen, der seine Spannkraft bis zum Schluss bewahrt.

Paula Beer erweist sich dabei in der Hauptrolle als echter Glücksgrif­f. Wer Beer als 15-jährige in „Poll“sah, ahnte, dass hier eine Schauspiel­erin heranwuchs, von der man noch viel erwarten konnte. In „Frantz“füllt sie die Leinwand mit ihrer unaufdring­lichen, aber nachhaltig­en Präsenz und passt sich perfekt in das ausgefeilt­e Konzept des Filmes ein.

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FOTO: DPA Paula Beer mit Pierre Niney in dem Drama „Frantz“.

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