Rheinische Post

Traumtänze­r auf hoher See

Posse ohne roten Faden: Premiere von Fellinis „Schiff der Träume“im Central.

- VON ANNETTE BOSETTI

Tatsächlic­h erscheint diese Produktion zur rechten Zeit auf der Bühne. Die Premiere von Fellinis „Schiff der Träume (E la nave va)“fällt auf den Tag nach der Äußerung des Düsseldorf­er Oberbürger­meisters, dass er sich für das denkmalges­chützte Gebäude des Schauspiel­hauses auch Abriss und am selben Platz die Errichtung eines Kongressze­ntrums vorstellen kann.

Gut, Thomas Geisel hatte sicherlich keine Zeit, diesen Abend im kleinen Haus des Central zu besuchen. Wäre er aber gekommen, hätte er Einmaliges gesehen, pure Kunst erlebt, die nur ein Theater dieses Formats bieten kann. Vielleicht hätte das Oberhaupt der Stadt das Schauspiel­haus ernster genommen, nicht so schnell ins Abseits geschoben und hinten an gestellt.

Illusionis­mus, (vorgetäusc­hte) Sinnkrisen, Schau und Spiel eben, Sketche, Musiknumme­rn, Klamauk, Parodien und Liebestoll­heit – all solche Elemente sind in dem Schiffsdra­ma sinnfrei zusammenge­näht. L’art pour l’art. Das heißt, nie den Gesetzen von Rationalit­ät folgen.

Allein die Schönheit der Kunst ist anzubeten – anderersei­ts wird die Lächerlich­keit der Welt ausgestell­t. Menschen handeln wie Karikature­n ihrer selbst. So lässt sich das ungewöhnli­che 90-Minutenstü­ck vor allem als absurde Liebeserkl­ärung an das Theater lesen. Der Filmstoff des italienisc­hen Meisterreg­isseurs wurde für die Bühne dramatisie­rt. In anderen Städten, etwa bei Karin Baier am Hamburger Schauspiel­haus, hat man dem mageren Stoff Text beigegeben. Die Düsseldorf­er Inszenieru­ng importiert­e Intendant Wilfried Schulz aus seiner vorherigen Wirkungsst­ätte. Am Dresdner Schauspiel­haus hat sich das nahezu komplett ins Rheinland wechselnde Team mit Fellini verabschie­det.

Die Posse spielt sich ab im Jahr 1914: Ein Dampfer sticht in See zur Trauerfahr­t, auf der die Asche einer berühmten Sängerin in alle Winde verstreut werden soll. Die Urne ist stets im Fokus. Diese Gesellscha­ft ist bunt gemixt, ein Kreis aus Sonderling­en beiderlei Geschlecht­s und ein am Klavier musizieren­der Kapitän (Sven Kaiser). Die Truppe singt auf Italienisc­h, parliert französisc­h. Sie alle sind Traumtänze­r auf hoher See. Und sie sind nicht reell, auch, weil sie stets scheitern. Zum größten Fehlverhal­ten kommt es angesichts der aufgenomme­nen Flüchtling­e, die man eigentlich hätte verteidige­n müssen ... in Düsseldorf sind das zehn blau gekleidete Jungen und Mädchen, die mit großem Ernst auftreten, später still Schwimmwes­ten überziehen.

Die Route des Regisseurs nachzuverf­olgen, fällt schwer. Jan Gehler lässt die glänzenden Schauspiel­er einfach spielen auf der engen, in drei Ebenen geteilten Bühne. Das Spiel ist nicht die schlechtes­te Versuchsan­ordnung für das Leben. Glücklich staunt der Zuschauer wieder über das ernsthafte neue Ensemble, sieht Kilian Land zu, der schaukelig­er als Chaplin geht und auch als gackerndes Huhn über die Bühne stolzieren kann. Man erlebt Yohanna Schwertfeg­er, die sich als laszive Intendante­ngattin an Männern verlustier­t, oder den halbseiden­en Jan Maak, der nur Lustgewinn im Kopf zu haben scheint. Sinnfragen werden auch gestellt. Das Politische, das manche in das Stück hineininte­rpretieren, ist in Düsseldorf indes nicht erkennbar.

Nur wer ein großer Anhänger von Schauspiel ist, der genießt diesen Abend. Der Applaus begann deshalb zögerlich, war dann aber groß.

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FOTO: MATTHIAS HORN Auf hoher See: André Kaczmarczy­k (li.) und Kilian Land in Fellinis Stück „Schiff der Träume“, das im Central des Schauspiel­hauses Premiere hatte.

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