Das Pfarrhaus als Zufluchtsort
Ungewöhnlicher Wohnort: Für jugendliche Flüchtlinge stellen zwei evangelische Gemeinden Pfarrhäuser zur Verfügung.
„Alles wird gut“, steht auf dem bunten, selbst gemalten Poster in der Diele. „Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber irgendwann.“Der Text gilt als Leitspruch einer Wohngruppe der Diakonie, die sich aus sieben unbegleitet aus Guinea, Syrien und Afghanistan geflohenen Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren zusammensetzt. Gemeinsam leben sie seit gut einem Jahr in einem von der Evangelischen Kirchengemeinde Eller zur Verfügung gestellten Pfarrhaus an der Schlossstraße und versuchen hier, begleitet von insgesamt sechs Gruppenpädagogen, in den Alltag zu finden. Sie frühstücken und kochen gemeinsam, Putz-, Spül- und Waschpläne regeln die notwendigen Reinigungsaufgaben in der Wohngemeinschaft.
In der Gruppe lernen sie Deutsch, besuchen integrative Klassen, etwa die des Heinrich-Hertz-Berufskollegs in Flingern oder der Graf-Recke-Hauptschule in Grafenberg, treiben Sport, spielen Karten und besuchen gerne den Jugendclub der Gemeinde gleich nebenan. Rund um die Uhr ist dabei mindestens ein Betreuer im Haus und unterstützt die jungen Bewohner bei Hausaufgaben, beim Wäschewaschen oder bei Behörden- und Arztgängen. Die Jugendlichen werden jedoch nicht nur tagsüber von Mitarbeitern der Diakonie unterstützt. „Viele Jugendliche sind traumatisiert, häufig lei- den sie unter Schlafstörungen“, erklärt Bianca Riley (39), die als Gruppenleiterin die Gruppe Jugendlicher in Eller, aber auch eine ähnliche Wohngruppe der Petruskirchengemeinde in Unterrath betreut. Viele haben Angehörige verloren, im Krieg in der Heimat oder auf der Flucht. Wie in der DiakonieWohngruppe werden auch in Un- terrath die jugendlichen Bewohner rund um die Uhr von fünf Mitarbeiterinnen betreut, die Tag und Nacht zur Verfügung stehen und immer ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Bedürfnisse haben. Einige der Jugendlichen haben schon seit Monaten keinen Kontakt mehr zu ihren Familien, die in den Heimatländern zurückgeblieben sind. „Gerade die- se Unsicherheit ist für die Jugendlichen extrem quälend.“Mit der psychischen Belastung gehen sie sehr unterschiedlich um: Während die einen den Austausch mit ihren Mitbewohnern suchen, ziehen sich andere mitunter auf ihr Zimmer zurück. Im Pfarrhaus gibt es daher auch einen sogenannten Clearingraum. Dort wird, wenn bei einem Gruppenmitglied der Bedarf besteht, ein Gespräch mit einem Dolmetscher sowie einem Psychologen geführt.
„Heimweh ist bei uns immer ein Thema“, sagt Marie Schröder (34), Sozialpädagogin und zuständig für die Gruppe in Eller. Sie ist überzeugt, dass der geschützte Wohnbereich des Pfarrhauses, die pädagogi- sche und psychologische Unterstützung sowie zahlreiche gemeinsame Aktivitäten helfen, dass die Jugendlichen selbstständig werden und ihre Ängste ablegen.
Inzwischen hat jeder der Teenager seinen Platz in der Gruppe gefunden. Mittlerweile entwickeln sie erste Zukunftsperspektiven: „Sehr gerne würde ich nach der Schule Fachinformatik studieren“, sagt der 17-jährige Hasib aus Afghanistan. Er will später einmal als Programmierer arbeiten, sein eigenes Geld verdienen und davon gut leben können. Und auch wenn sich für Mehde (15), ebenfalls aus Afghanistan, und Javad (16) aus dem Iran noch keine konkreten Berufsperspektiven ergeben haben, blicken sie positiv in die Zukunft. „Alles ist möglich“, sagt Schröder, „manchmal erfordert es nur etwas Geduld.“