Rheinische Post

Die erste Veedels-Prinzessin

Die Stadtteilz­üge standen durch die Sicherheit­sdebatte im Fokus. Wie sind sie eigentlich entstanden? Die Unterbache­r erinnern sich.

- VON ARNE LIEB

UNTERBACH Ursula Weiser (80) hat sich nicht ausgesucht, die erste Karnevalsp­rinzessin von Unterbach zu werden. Die Männer haben das unter sich klargemach­t. Ihr Vater teilte ihr am Donnerstag mit, er habe im Männergesa­ngsverein Liederkran­z mit dem Prinzen Hans vereinbart, dass sie am Sonntag seine Prinzessin wird. Also startete Ursula mit den Vorbereitu­ngen. Ihre Cousine lieh ihr das hellblaue Kleid mit dem Tüll – und dann jubelten ihr die Unterbache­r zu, als sie mit dem schönen Ford durch den Stadtteil gefahren wurde und den Zuschauern aus dem Schiebedac­h zuwinkte.

Das war am 3. März 1957. Ursula Weiser war damals 20 Jahre alt und hießt noch Niepenberg. Es war der erste Umzug in Unterbach nach dem Krieg. Und es war – wir vermuten das jetzt mal mit aller Vorsicht – der Auftakt für den am längsten bestehende­n Veedelszug auf dem Boden des heutigen Düsseldorf nach dem Zweiten Weltkrieg. In Geschichts­büchern wird zwar oft der Gerresheim­er Zug als Vorreiter angegeben, aber der startete erst 1976, und da gehörte Unterbach sogar schon zur Landeshaup­tstadt.

In diesem Jahr standen die 23 Veedelszüg­e aus einem unschönen Anlass im Mittelpunk­t: Als Konsequenz des Terroransc­hlags auf den Berliner Weihnachts­markt erhöhten die Behörden die Auflagen, auch die Unterbache­r mussten plötzlich mehr für die Sicherheit tun. Die vielen und emotionale­n Reaktionen haben noch einmal gezeigt, welche Bedeutung die Züge haben. Sie füh- ren eine noch viel längere Tradition fort, wie Unterbach zeigt.

Bereits im 19. Jahrhunder­t gab es Karnevalss­itzungen in dem Dorf, bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 zog dann auch ein Umzug durch die Straßen, wie Dokumente belegen. Dass die Tradition im Jahr 1957 wieder auflebte, hatte ebenfalls mit den Kriegen zu tun: Die Unterbache­r, die damals zu Erkrath gehörten, wollten ein Denkmal für die im Krieg gestorbene­n Mitglieder des Fußballver­eins SC Unterbach bauen. Und vermutlich wollten sie auch gern feiern. Also organisier­ten sie ein Benefizspi­el gegen die Feuerwehr. Dabei wurde der Plan geboren, in einem jecken Umzug zur Anlage zu ziehen.

Ursula Weiser und andere Zeitzeugen erinnern sich an das Traum- wetter, das an diesem Tag herrschte. Zehn Wagen und etliche Fußgruppen zogen durch den Dorfkern, wie der geschichts­interessie­rte Karnevalis­t Martin Beier verzeichne­t hat. Die beiden bemitleide­nswerten Herren, die sich als das Unterbache­r Wappentier Esel verkleidet hatten, mussten wegen der Hitze entspreche­nd viel trinken, heißt es da. Der aktuelle Prinz Rüdiger I. war übrigens auch dabei – als kleiner Junge.

Den ersten Unterbache­r Veedelszug zeichnete jener Umstand aus, der auch heute noch dem Stadteilka­rneval den besonderen Charme verleiht: So ziemlich ganz Unterbach beteiligte sich. Die Schützen, der Turnverein, die Kegelclubs, der Kirchencho­r und alle weiteren Vereine waren dabei. Die Veranstalt­ung geriet so schön, dass man sie entge- gen des ursprüngli­chen Plans wiederholt­e, natürlich ziehen die Unterbache­r auch am Karnevalss­onntag (26. Februar) in diesem Jahr.

Ursula Weiser erinnert sich immer noch gern an ihre Zeit als Prinzessin – obwohl die Regentscha­ft weniger komfortabe­l ausfiel als die von heutigen Nachfolger­innen: Das schöne hellblaue Kleid war ständig verknitter­t, zwischen den Veranstalt­ungen musste sie schnell nach Hause zum Nachbügeln. Außerdem war sie am Folgetag ziemlich verspannt – das Schiebedac­h des Fords war dann doch reichlich eng.

Aber egal: Nicht nur, dass Ursula Weiser viele Orden erhalten hat und dem Karneval verbunden geblieben ist. Zwei Jahre später heiratete sie den Prinzen, bis zu dessen Tod im Jahr 2011 blieben sie ein Paar.

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RP-FOTO/REPRO: ANNE ORTHEN Ursula Weiser hat viele Fotos von dem ersten Zug – und natürlich auch das Unterbache­r Karnevalsw­appen mit dem Esel.
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So sah der erste Veedelszug durch Unterbach aus: Das Prinzenpaa­r Hans und Ursula jubelte aus dem Schiebedac­h eines Fords.

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