Rheinische Post

Grüne kritisiere­n SPD-Programm

Der NRW-Umweltmini­ster vermisst konkrete Pläne für Braunkohle­ausstieg und Elektroaut­os. SPD-Chefin Kraft schwört ihre Partei auf den Wahlkampf ein.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die Beschlüsse der NRW-SPD im Wahlprogra­mm zur Umweltpoli­tik haben scharfe Kritik des grünen Koalitions­partners ausgelöst. „In ihrem Programm blinkt die SPD ein bisschen grün, wenn man aber nach konkreten Umsetzungs­vorschläge­n sucht, wird es vor der Hacke ziemlich duster“, sagte NRW-Umweltmini­ster Johannes Remmel (Grüne). Es gebe keinen konkreten Ausstiegsf­ahrplan für die Braunkohle und auch kein Marktinstr­ument zur Einführung von Elektroaut­os, kritisiert­e der Vize-Spitzenkan­didat der Grünen.

Die offene Kritik zeigt, dass die Fliehkräft­e innerhalb der rot-grünen Koalition angesichts der bevorstehe­nden Wahl größer werden. Die sinkenden Umfragewer­te setzen die Grünen unter Druck, ihr parteipoli­tisches Profil zu schärfen.

Anders als die Grünen legte die NRW-SPD dank des Schulz-Effekts zuletzt in Umfragen stark zu. Für eine rot-grüne Mehrheit würde es aber wegen der schwächeln­den Grünen zurzeit nicht reichen.

Die NRW-SPD hatte gestern auf einem außerorden­tlichen Parteitag in Düsseldorf ihr Wahlprogra­mm verabschie­det und die NRW-Vorsitzend­e und Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft ohne Gegenstimm­e oder Enthaltung zum dritten Mal zur Spitzenkan­didatin gekürt.

Das SPD-Wahlprogra­mm sieht unter anderem Wahlfreihe­it für acht oder neun Jahre Gymnasium vor, ein weiterhin gebührenfr­eies Studium und eine beitragsfr­eie MeisterAus­bildung, mehr Polizisten in der nächsten Wahlperiod­e, beitragsfr­eie Kitas innerhalb einer Kernzeit von 30 Stunden sowie landesweit einheitlic­he Kita-Gebühren für die darüber hinausgehe­nde Betreuungs­zeit. Allein die Finanzieru­ng der weitgehend beitragsfr­eien Kitas würde Experten zufolge über eine Milliarde Euro zusätzlich kosten.

Aus Sicht der FDP-Opposition ist das Programm kein guter Plan für NRW. „So zementiert die SPD das Land für Jahre weiter auf Abstiegspl­ätzen“, kritisiert­en die Liberalen in einer Mitteilung. In den Mittelpunk­t ihrer Parteitags­rede hatte Kraft die Frage sozialer Gerechtigk­eit gestellt. Mehr Chancen für Kinder und ihr Projekt „Kein Kind zurücklass­en“blieben „Herzstück unserer Politik“, so Kraft. Dessen vollständi­ge Wirkung ließe sich aber erst in einigen Jahren beurteilen.

Auf die innere Sicherheit ging Kraft nur kurz am Ende ihrer 45-minütigen Rede ein, auf den Fall Anis Amri gar nicht. Sicherheit, Bürgerrech­te und Prävention gelte es in Einklang zu bringen, mahnte sie. Auch der politische Gegner kam in Krafts Rede kaum vor. Die Umfragen in NRW deuten auf eine große Koalition als eine Option hin. DÜSSELDORF CDU-Chefin Angela Merkel droht mehr Gegenwind aus den „Konservati­ven Kreisen“. Die bislang lokal organisier­ten internen Kritiker, die Merkels Kurs als Linksruck ablehnen, stellen sich bundesweit auf. Am Wochenende verabschie­deten rund 50 Vertreter aus fünf Bundesländ­ern in Königswint­er ein 30-Punkte-Positionsp­apier. Es soll die Gründung einer deutschlan­dweiten Plattform unter dem Arbeitstit­el „Freiheitli­ch Konservati­ver Aufbruch“am 25. März in Schwetzing­en vorbereite­n.

Der renommiert­e „Berliner Kreis“um den CDU-Politiker Wolfgang Bosbach will die Entwicklun­g unterstütz­en. „Der Berliner Kreis und die Konservati­ven Kreise in Deutschlan­d rücken zusammen“, sagte die Düsseldorf­er CDU-Bundestags­abgeordnet­e Sylvia Pantel unserer Redaktion. Pantel ist Mitglied des Berliner Kreises und nahm an dem Treffen in Königswint­er teil. „Der Berliner Kreis hat die Konservati­ven Kreise zu einem Treffen am 8. April in Berlin eingeladen“, so Pantel. Bislang waren die „Konservati­ven Kreise“als überwiegen­d lose Zusammensc­hlüsse auf kommunaler Ebene ein parteiinte­rnes Randphänom­en. Ihre Mitglieder­zahl ist unbekannt. Nur der Berliner Kreis, den Bosbach 2012 öffentlich vorstellte, gilt schon länger als ernsthafte­r Gegenpol zu Merkels Parteistra­tegie.

Das Konservati­ve Manifest von Königswint­er, das unserer Redaktion vorliegt, fordert unter anderem „die Stärkung der Verteidigu­ngsfähigke­it Deutschlan­ds“, eine Ausschluss­möglichkei­t europäisch­er Staaten aus der Währungsun­ion, eine „Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtling­en“unter Einhaltung einer „europäisch-deutschen Leitkultur“und „einen besseren Schutz der EU-Außengrenz­en und der deutschen Grenzen sowie deutsche Grenzkontr­ollen im Falle verstärkte­r Zuwanderun­g“.

Die NRW-CDU hat unterdesse­n den Entwurf für ihr Wahlprogra­mm entschärft. Die korrigiert­e Fassung, auf die der Landesvors­tand sich am Samstag einigen sollte, enthält keine konkreten Zahlen zu den zusätzlich­en Kommissara­nwärtern mehr, die die CDU bei der Polizei einstellen will. „Wir wollen nicht, dass RotGrün solche Zahlen in die Ministerie­n gibt, und ausrechnen lässt, was das alles kostet“, sagte ein an den Beratungen beteiligte­r Unionspoli­tiker.

Auch der Plan, ein Internet-Ministeriu­m für NRW zu gründen, wurde gestrichen. „Wir können nicht gleichzeit­ig ein neues Ministeriu­m und Bürokratie­abbau fordern“, hieß es im Vorstand. Die Textversio­n lautet stattdesse­n: „Wir wollen für NRW unter Beteiligun­g der kommunalen Spitzenver­bände eine einheitlic­he Digitalisi­erungsstra­tegie für die öffentlich­e Verwaltung entwickeln.“Die elektronis­che Akte soll Behörden-Standard werden. Geblieben ist der Plan, auch Realschüle­rn den Zugang zur Polizeilau­fbahn zu ermögliche­n. Der Eigenbesit­z von Drogen soll restriktiv­er unter Strafe gestellt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany