Warum wir Schweizer Ausländer lieben
ZÜRICH Wir Schweizer lieben Ausländer. Böse Stimmen glauben, dass wir sie nur lieben, weil sie die Ferien bei uns verbringen oder uns ihr Geld anvertrauen. Das stimmt, aber weil Tourismus und die Finanzindustrie tragende Säulen unserer Volkswirtschaft sind, ist daran nichts verwerflich. Wir könnten allerdings netter sein zu den Deutschen, die bei uns Ski fahren.
Die Schweizer schauen aber auch gut zu den Ausländern, die in unser Land eingewandert sind und hier bleiben wollen. So ist auch der Volksentscheid vom 12. Februar mit über 60 Prozent Ja-Stimmen zu verstehen. Junge Ausländer, deren Familien in der dritten Generationen in der Schweiz leben und hier gut integriert sind, können sich nun leichter einbürgern lassen. Trotz aller Plakate mit Karikaturen verschleierter Frauen der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei bleibt das Stimmvolk, was es meist war: pragmatisch. Und hat in diesem Sinne die Bundesverfassung (entspricht dem deutschen Grundgesetz) geändert.
Die Zahlen sprechen für unsere Offenheit: Deutschland hat einen Ausländeranteil von neun Prozent. Dafür haben wir nur ein müdes Lächeln übrig. Bei uns leben 25 Prozent Ausländer. Ihre Integration ist eine dauernde Herausforderung, die aber seit 150 Jahren einigermaßen gut funktioniert. Zuvor war die Schweiz ein Auswandererland. Wir lieferten Söldner für die französischen Könige, Zuckerbäcker nach Russland, Kaminfeger nach Italien, Gardisten für den Papst.
Aber gerade weil in der Schweiz heute ein Viertel der Bevölkerung Ausländer sind, zeigen wir uns abwehrend, wenn das fein austarierte Gleichgewicht aus dem Lot geraten könnte. Wenn plötzlich wegen des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU viele Arbeitskräfte in unser Land kommen möchten.
So erklärt sich das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative, die übrigens in der Detailberatung von den zwei Kammern des Eidgenössischen Parlaments aus Angst vor Gegenmaßnahmen der EU so zerzaust wurde, dass die ursprüngliche Idee nicht mehr zu erkennen war. Es bleibt in der Ausgestaltung zum Gesetz nur noch die Pflicht der Arbeitgeber, zuerst einheimische Stellenlose auf ihre Eignung zu prüfen.
Die Masseneinwanderungsinitiative wurde im Jahre 2011 auch wegen der Deutschen lanciert, die, gut gebildet, in Sprache und Auftritt meist effizienter als die Einheimi- schen, hier viele gut bezahlte Jobs übernahmen. Inzwischen migrieren mehr Deutsche zurück, als hierher kommen. Was uns auch wieder nicht recht ist. Dem Schweizer kommt angesichts der Kleinheit des Landes manchmal der Blick für das große Ganze abhanden.
Mit der Angst vor zuviel fremden Einflüssen lässt sich auch das absurde Minarettverbot von 2009 erklären, welches das Schweizer Stimmvolk beschlossen hatte. In einem Land, das vier Moscheen mit Minaretten zählt! Hier hat man ein Problem gelöst, bevor es eins werden konnte.
Ähnlich fremdenfeindlich zeigten sich die Schweizer zuvor nur einmal: Am 7. Juni 1970 stimmten die Schweizer über die sogenannte Schwarzenbach-Initiative ab. Sie wollte die „Überfremdung“auf höchstens zehn Prozent der Bevöl- kerung pro Kanton begrenzen. James Schwarzenbach zielte damals auf die schlecht ausgebildeten Einwanderer aus Süditalien, auf die die Wirtschaft aber angewiesen war. Die Initiative wurde mit 54 Prozent der Stimmen abgelehnt.
Wir Schweizer sind kein Volk von Rassisten. Das ist nach Definition gar nicht möglich, wenn in einem Land Deutsch-, Französisch-, Italienisch- und Romanischsprechende seit 1848 mehr oder weniger friedlich zusammenleben. Wenn, dann sind wir Schweizer etwas egoistisch: Switzerland first. Aber mit diesem Anspruch sind wir in der Welt ja nicht alleine.