Bayern müllern sich zum Sieg in Gladbach
Der Nationalspieler erzielt das Tor des Tages in einem Spiel, in dem sich die verletzungsgeplagte Borussia teuer verkauft.
MÖNCHENGLADBACH Der Signore hatte kurzzeitig die Orientierung verloren. Geradeaus ging es zur Gästekabine, rechts herum zum Spielfeld. Nach wenigen Metern bemerkte Carlo Ancelotti, der Trainer des FC Bayern München, den Irrtum, machte kehrt und verschwand mit den Seinen in der Umkleide des Borussia-Parks. Später stand er am Spielfeld wie immer: ruhig, stoisch. Nach 42 Sekunden wusste er ja auch, welche Richtung das Spiel haben würde: gen Gladbacher Tor. Arjen Robben gab den ersten Torschuss ab. Am Ende des Tages kamen die Bayern auf 18 Torschüsse, Borussia auf 14. Den Weg ins Ziel fand nur einer. Der von Thomas Müller in der 64. Minute. Müller machte seinem Namen alle Ehre, er „müllerte“aus der Drehung den Ball zum 1:0 ins Netz – genial an der spielentscheidenden Szene war das Zuspiel Thiagos.
Für die Borussen ging es an diesem Tag darum, sich nicht überrennen zu lassen von den Bayern. Die Umstände waren nicht die besten. Im Kopf klebte immer noch das seltsame Europa-League-Aus gegen den FC Schalke 04 am Donnerstag. Es galt, dies nicht die Beine beeinflussen zu lassen. Dass zudem Kapitän Lars Stindl und auch der begabte Mittelfeldmann Mo Dahoud, zwei wichtige Kreative, fehlten, erschwerte den Job nochmal.
Die Bayern übernahmen von Anfang an die Regie, hatten fast 70 Prozent Ballbesitz. „Wir haben schon auf die Tube gedrückt“, sagt Müller später bei „Sky“. Doch unter Dieter Hecking ist wenig Ballbesitz keine Schande für Borussia, im Gegenteil: Das schnelle Umschalten ist ein Grundprinzip, und gegen welchen Gegner ist dieses Stilmittel eher erlaubt als gegen die Bayern? André Hahn und Patrick Herrmann waren die geschwinden Flügel, Jonas Hofmann rückte ins Zentrum neben Raffael – sie alle waren darauf aus, mit Speed nach vorne zu kommen, wenn die Bayern den Ball mal nicht hatten. Allerdings wurden die Schnellangriffe, die es gab, zu wenig mutig ausgeführt und verpufften.
Der bayerischen Überlegenheit setzten die Borussen eine hohe Laufbereitschaft entgegen. Mit fast 62 absolvierten Kilometern, fünf mehr als der Gegner, verdienten sich die Gladbacher Spieler das 0:0 zur Pause (es sei denn, man sagt: die Bayern ließen Ball und Gegner laufen). Dass es torlos blieb, lag aber insbesondere an Yann Sommer. Der Torwart hielt zweimal großartig, erst gegen Franck Ribery, dann, nach Robbens Lattenschuss, beim Kopfball von Robert Lewandowski (25./43.).
Es war wie beim Heimspiel der Borussen gegen die Bayern in der Vorsaison. Zur Pause hätte der Rekordmeister damals klar führen müssen, am Ende stand es aber 3:1 für die Gladbacher. Ein solcher Coup gelang dieses Mal nicht. Weil Thiago jenen genialen Moment hatte und Müller sein Tor machte. Ein 0:1 gegen diese Bayern ist ehrenwert, und mehr war auch nicht drin an diesem Tag. „Ich finde, dass wir, gerade nach Donnerstag, ein gutes Spiel gemacht haben“, sagte Tobias Strobl. Gleichwohl ist das Gefühl, mit dem es in die Länderspielpause geht, schal. In der Liga wurde zweimal am Stück verloren, zudem ging der Euro-Traum zu Ende. Da kommt die Pause vielleicht ganz recht, um dann ganz sortiert den nächsten Akt der Saison anzugehen, der mit dem Spiel in Frankfurt beginnt.
Und die Bayern? In den Katakomben des Borussia-Parks hat sich Signore Ancelotti vielleicht verlaufen. Sportlich aber ist er mit seinen Bayern auf Kurs: 13 Punkte beträgt nun der Vorsprung auf Verfolger Leipzig, die fünfte Meisterschaft in Folge ist so gut wie sicher. Wenn es dann wirklich wichtig wird, im Viertelfinale der Champions League, wird er sich nicht verlaufen im Estadio Santiago Bernabeu von Madrid. Denn da kennt er sich bestens aus.