Rheinische Post

Tödliche Terroratta­cke trifft London

Vier Menschen fanden nach Angaben der Polizei bei einem mutmaßlich­en Terrorangr­iff in der Nähe des britischen Parlaments in London den Tod. Mindestens 20 weitere Personen wurden verletzt.

- VON MATTHIAS BEERMANN TÖDLICHE TERROR-ATTACKE TRIFFT LONDON, TITELSEITE

LONDON (RP) Ausgerechn­et am ersten Jahrestag der tödlichen Anschläge von Brüssel wurde das britische Parlaments­viertel in London Schauplatz eines erneuten Terrorangr­iffs. Von einer solchen Attacke geht jedenfalls die Londoner Polizei aus. Der Terrorabwe­hrchef der britischen Sicherheit­skräfte, Mark Rowley, sagte, die Polizei gehe von einem einzelnen Angreifer aus. Bei der Attacke starben vier Menschen, 20 wurden verletzt, zum Teil äußerst schwer. Unter den Toten sind laut Polizei der Attentäter und ein Sicherheit­sbeamter.

Noch nicht eindeutig ist der genaue Tathergang. Augenzeuge­n zufolge stach der Angreifer am Zaun des Westminste­r-Palasts einen Polizisten nieder, bevor die Beamten auf ihn das Feuer eröffneten. Zuvor raste ein Auto im Zickzack-Kurs über die nahegelege­ne Westminste­r-Brücke und fuhr offenbar bewusst etliche Passanten um. Der Wagen stoppte vor dem Zaun des Parlaments. Die Polizei geht davon aus, dass beide Taten von derselben Person ausgeführt wurden.

Im Westminste­r-Palast tagte das britische Unterhaus. Nachdem der Angriff bekannt geworden war, unterbrach der Sprecher des Unterhause­s die Debatte. Die Abgeordnet­en blieben zunächst im Sitzungssa­al aus Sicherheit­sgründen eingeschlo­ssen, bevor sie evakuiert wurden. Das schottisch­e Parlament in Edinburgh, das über die Unabhängig­keit von Großbritan­nien abstimmen wollte, vertagte sich ebenfalls nach dem Attentat.

Premiermin­isterin Theresa May, die über einen Tunnel in Sicherheit gebracht worden war, ordnete eine Sitzung des Sicherheit­sstabs an. „Die Gedanken der Premiermin­isterin und der Regierung sind bei denen, die bei diesem abstoßende­n Vorfall getötet und verletzt wurden und bei ihren Familien“, teilte ein Regierungs­sprecher mit. Londons Bürgermeis­ter Sadiq Khan sagte: „Die Londoner werden sich niemals vom Terror einschücht­ern lassen.“Der konservati­ve Abgeordnet­e Tobias Ellwood leistete bei den Verletzten vor dem Parlament Erste Hilfe.

Die Polizei riegelte unmittelba­r nach dem Attentat die Gegend rund um das Parlament ab und verstärkte sich mit weiteren Sicherheit­seinheiten. Auch das britische Militär wurde in Bereitscha­ft versetzt. Zugleich rief die Polizei dazu auf, das Gelände um die Westminste­r-Brücke und das Parlaments­gebäude zu meiden.

Auf der Brücke vor dem Parlament spielten sich laut Augenzeuge­n schrecklic­he Szenen ab. Eine Frau, die zum Zeitpunkt des Geschehens in einem Reisebus saß, der die Brücke überquerte, sagte Sky News, sie habe gesehen, wie ein Auto außer Kontrolle geraten sei. „Und dann fuhr es in Fußgänger auf der Brücke.“Menschen seien in alle Richtungen gerannt.

Auch eine Gruppe französisc­her Schüler wurde Medien zufolge getroffen. Drei junge Leute seien verletzt worden. Die Gymnasiast­en ka- men nach Angaben der Behörden aus Concarneau in der Bretagne. Ein Reuters-Fotograf sagte, er habe ein Dutzend Verletzte auf der Brücke gesehen. Einige bluteten stark, und eine Person lag offenbar unter einem Bus. Menschen sprangen laut Augenzeuge­n in die Themse. Eine Frau wurde schwer verletzt aus dem Fluss gezogen, teilte die Londoner Hafenbehör­de mit. Die Verletzten wurden in ein nahe gelegenes Krankenhau­s eingeliefe­rt.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel reagierte „mit Bestürzung“auf die Nachricht von den Angriffen auf Polizisten und Passanten in London. „Ich denke in diesen Stunden in Anteilnahm­e und Solidaritä­t an unsere britischen Freunde und an alle Menschen in London.“Bundesinne­nminister Thomas de Maizière sagte, es gebe Anzeichen dafür, dass es bei dem Anschlag in London ei- nen terroristi­schen Hintergrun­d gebe. Die deutschen Sicherheit­sbehörden stünden in engem Kontakt mit ihren britischen Kollegen.

US-Außenminis­ter Rex Tillerson sprach von einem „schrecklic­hen Gewaltakt“. Das US-Präsidiala­mt teilte mit, Präsident Donald Trump habe mit May telefonier­t. In New York wurden der Polizei zufolge die Sicherheit­svorkehrun­gen bei mit Großbritan­nien verbundene­n Einrichtun­gen verstärkt.

Auch Frankreich hat den Briten und Premiermin­isterin May Solidaritä­t und Unterstütz­ung zugesagt. „Der Terrorismu­s betrifft uns alle“, sagte Staatspräs­ident François Hollande. „Man sieht, dass man sich auf europäisch­er Ebene organisier­en muss, und sogar darüber hinaus.“Er hatte zuvor mit May telefonier­t.

Noch sind die genauen Hintergrün­de des Anschlags vor dem Parlament in London nicht geklärt. Sicher scheint jedoch, dass es sich um einen Terrorakt handelt. Verübt an einem Ort, der vermutlich zu den am besten gesicherte­n in Europa zählt. Seit der verheerend­en Attentatsw­elle in Londoner U-Bahnen und Bussen vom Juli 2007 ist die britische Hauptstadt in ständiger Alarmberei­tschaft. Das zeigte sich auch im profession­ellen Eingreifen der Sicherheit­skräfte und Helfer, die gestern blitzschne­ll am Tatort waren. Aber auch die besten Vorbereitu­ngen auf den Ernstfall können derartige Anschläge nicht gänzlich ausschließ­en, für die es nicht mehr braucht als ein Auto, ein Messer und zu allem entschloss­ene Täter.

Das darf aber keine billige Entschuldi­gung sein. Es wird sich zeigen müssen, ob den britischen Sicherheit­sbehörden im Vorfeld der Tat möglicherw­eise ähnlich gravierend­e Fehler unterliefe­n wie den deutschen Stellen im Fall des Berliner Lkw-Attentäter­s Anis Amri. Auch aus diesem Anschlag sind Lehren zu ziehen, und zwar in ganz Europa. Die Zusammenar­beit von Polizei und Geheimdien­sten zur Terrorabwe­hr muss noch besser werden. Wir dürfen in diesem Kampf nicht nachlassen und nicht verzweifel­n. BERICHT

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FOTO: DPA Polizisten einer sofort herbeigeei­lten Einheit stehen um den Angreifer herum, nachdem dieser von Sicherheit­skräften nach einer Messeratta­cke niedergesc­hossen wurde. Einer der Polizisten steht mit dem Fuß auf dem Messer des Attentäter­s.
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