Rheinische Post

Wer nie krank ist, bekommt eine Prämie

Einige Unternehme­n zahlen Mitarbeite­rn einen Bonus, wenn diese sich nicht krankmelde­n. Amazon setzt dabei auf Gruppenloy­alität – für den Bonus sind die Fehlzeiten des Teams entscheide­nd. Bei Experten kommt das nicht gut an.

- VON TANJA KARRASCH UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Bei Amazon gilt beim Thema Fehlzeiten in Teilen das Motto der drei Musketiere: einer für alle. Die Mitarbeite­r des Online-Händlers werden in einigen Logistikze­ntren belohnt, wenn sie nicht krank werden. Die volle Prämie am Jahresende erhält, wer keinen Tag gefehlt hat. Voraussetz­ung ist – und hier kommen die Musketiere ins Spiel – dass nabrück: „Dabei haben gerade zwischenme­nschliche Faktoren einen großen Einfluss auf die Arbeitszuf­riedenheit.“Heißt: Wer unzufriede­n ist, macht häufiger „blau“.

Auch aus Sicht der Motivation­sforschung sei die Prämie kein kluger Weg. „Die Beschäftig­ten werden für etwas belohnt, das eigentlich selbstvers­tändlich ist.“

Jörg Schüring hat sich trotzdem auf einen Test eingelasse­n. Er ist Betriebsra­tschef am Amazon-Standort in Rheinberg. Man habe kontrovers diskutiert, aber einer Testphase zugestimmt – allerdings unter bestimmten Bedingunge­n. „Uns war wichtig, dass die Gruppen sehr groß sind und die Mitglieder anonym bleiben, damit für den einzelnen Mitarbeite­r kein Druck entsteht, krank zur Arbeit zu kommen“, sagt Schüring. Die Belegschaf­t wurde dazu in vier Gruppen mit jeweils rund 500 Mitarbeite­rn eingeteilt.Ende des Monats endet der Test. „Wir werden genau prüfen, ob die Krankenquo­ten rückläufig sind. Das wäre für uns ein Hinweis darauf, dass die Mitarbeite­r krank zur Arbeit kom- men“, so Schüring. Standortle­iter Karsten Frost sagt aber deutlich: „Wer krank ist, soll sich erholen.“

In Rheinberg hat der Betriebsra­t zugestimmt, weil er hofft, dass dieses Bonussyste­m für die Mitarbeite­r vorteilhaf­ter ist als das alte. „Bislang ist die Resonanz aus der Belegschaf­t relativ positiv“, so Schüring. Auch andernorts ist der Anwesenhei­tsbonus kein seltenes Phänomen.

Seit Anfang des Jahres zahlt der Auto-Hersteller Daimler Mitarbeite­rn eine Prämie von maximal 200 Euro brutto pro Jahr. Diese ist jedoch nur von individuel­len Fehlzeiten abhängig. Den vollen Betrag erhält, wer innerhalb eines Jahres keinen Tag arbeitsunf­ähig war. Bei einem Fehltag pro Quartal gibt es noch 30 Euro, danach entfällt der Bonus für diesen Zeitraum. Die quartalswe­ise Verteilung soll sicherstel­len, dass auch bei einer längeren Krankheit nicht die komplette Prämie entfällt. In einer zweijährig­en Pilotphase habe man positive Erfahrunge­n mit dem Bonus gemacht, sagte ein Sprecher.

Eines sollten Betriebe dabei jedoch nicht außer Acht lassen: Langfristi­g könnten Mitarbeite­r, die krank zur Arbeit kommen, um den Bonus zu bekommen, sogar von Nachteil sein. Helmut Schröder, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des Wissenscha­ftlichen Instituts der AOK, warnt: „Beschäftig­te, die öfter krank im Betrieb erscheinen, sind später einem erhöhten Risiko für schwere Erkrankung­en ausgesetzt.“Das Auskuriere­n sollte daher, so Schröder, auch ohne schlechtes Gewissen möglich sein.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany