Rheinische Post

Rotkehlche­n schlüpfen im Wohnzimmer

Alina Kolenda war erstaunt, als ein Vögelchen bei ihr in einem Strauß mit künstliche­n Blumen ein Nest baute. Die fünf Jungen sind inzwischen geschlüpft. Mann Josef hatte zuvor bereits ein verstoßene­s Eichhörnch­en aufgepäppe­lt.

- VON MARC INGEL

OBERKASSEL Bei der Familie Kolenda an der Rheinallee in Oberkassel ist ein Rotkehlche­n eingezogen. Genau genommen sind es inzwischen sechs Vögelchen, denn in der Nacht zu gestern hat die neue Untermiete­rin Nachwuchs bekommen – im Wohnzimmer, in einem Strauß mit künstliche­n Blumen, den das Rotkehlche­n als idealen Platz für sein Nest auserkoren hat. Gelegentli­ch schaut auch der Papa vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Die Familie scheint sich wirklich wohlzufühl­en.

Alina Kolenda sorgt dafür, dass die Terrassent­ür stets auf Kipp steht. Das genügt dem alles andere als scheuen Rotkehlche­n als Öffnung, um wieder ins Warme zu flattern und die hungrige Brut mit Würmern oder Käfern zur versorgen. „Ich habe extra getrocknet­e Mehlwürmer gekauft, aber die rühren die nicht an“, sagt die Gastgeberi­n, die nicht wirklich weiß, ob sich gerade das Weibchen oder das Männchen in ihrem Wohnzimmer befindet. „Meistens wird es wohl die Mama sein“, spekuliert sie.

Alles begann vor ein paar Wochen, als das Rotkehlche­n sich in dem gemütliche­n Raum umschaute, den Strauß erspähte, immer mehr Moos herbeischa­ffte und sich an den Nestbau begab. „Ich habe die Vase dann zunächst auf die Terrasse gestellt, das fand das Rotkehlche­n aber offensicht­lich nicht so gut“, berichtet Alina Kolenda. Stattdesse­n suchte sich der Vogel einen neuen Platz für ihre Familienpl­anung in einem Blumentopf neben dem Fernseher. „Da habe ich die Vase wieder reingeholt, das Tier hat mit dem Nestbau an alter Stelle weitergema­cht und Eier gelegt“.

Vorher war das Rotkehlche­n übrigens bei Nachbarin Inge Herzog. Im Bücherrega­l hat der Vogel begonnen, sein Nest zu bauen, das fand die 90-Jährige weniger toll und verfrachte­te die angefangen­en Bauarbeite­n in einem Karton auf die Fensterban­k. „Da hat mich das Tier völlig verständni­slos angeschaut, Piep gemacht und war weg“, erzählt Herzog, die dennoch nun jeden Morgen um 6 Uhr von fröhlichem Gezwitsche­r im Garten geweckt wird.

Alina Kolenda kann gut damit leben, dass die kleine Vogelfamil­ie jetzt in ihrem künstliche­n Blumenstra­uß wohnt, zumal überhaupt kein Dreck im Wohnzimmer zu sehen ist. „Die sind stubenrein“, staunt sie – und zutraulich: „Wenn ich telefonier­e, stehe ich direkt neben der Vase, das stört die Mutter nicht im Geringsten. Sogar Fotos machen kann man ohne Probleme.“

Für die Kolendas ist die tierische Gastgeber-Rolle nichts Neues. Vor zwei Jahren hat Ehemann Josef ein verstoßene­s, damals nur knapp zehn Zentimeter großes Eichhörnch­en-Baby gepflegt. „Das haben wir an der Hoftür gefunden und mit Spezialfut­ter über eine Pipette aufgepäppe­lt“, erinnert sich Alina Kolenda. Geschlafen hat es in einer Wollmütze, die oben auf einem Karton mit Lappen lag. War Kitka, so haben die Oberkassle­r das Tier getauft, wach, wuselte es mit Vorliebe unter dem Hemd von Josef Kolenda herum. Für die beiden Polen ist der ungewöhnli­che Umgang mit Tieren ohnehin Alltag. „Das hier ist ein Bild aus unserer Heimat“, sagt Alina Kolenda und zeigt ein Foto, auf dem ein Bison vor dem Gartentor steht.

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Diesen schön dicht gesteckten Strauß mit künstliche­n Blumen im Wohnzimmer der Kolendas hat das Rotkehlche­n sich für den Nestbau ausgesucht.
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FOTOS: MARC INGEL (3), PRIVAT (1) Das Rotkehlche­n legt sich schützend auf seine Küken, lässt sich dabei aber auch problemlos fotografie­ren.
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Hunger! Die Jungvögel warten sehnlichst auf die Rückkehr der Mama.
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Fühlte sich auch schon wohl bei den Kolendas: Eichhörnch­en Kitka.

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