Rheinische Post

Von der Holzfabrik zur Modeagentu­r

Aus zwei 1938 erbauten großen Hallen im Hinterhof in Bilk hat Stefan Wittmann mit großem Engagement und Liebe zum Detail beeindruck­ende Räumlichke­iten für seine Modeagentu­r geschaffen.

- VON BEATE WERTHSCHUL­TE

BILK Über dem Eingang zur ersten von zwei ineinander übergehend­en Hallen ist heute noch der alte Schriftzug zu lesen: Holzleiste­nfabrik Gleich. Für seine 1905 gegründete Holzleiste­nfabrik war irgendwann der Platz zu klein geworden – neue, größere Räume wurden notwendig. Deshalb erwarb Michael Gleich 1937 ein Grundstück an der Volmerswer­ther Straße und baute dort zwei Hallen, insgesamt hatte er fast 800 Quadratmet­er Platz für seine Fabrik. „Gebaut wurde sozusagen mitten auf der grünen Wiese“, erzählt sein Enkel Friedhelm Gleich (77), Eigentümer des Geländes.

Im Krieg zerbombt, wurden die Hallen später wieder aufgebaut, die drei Söhne des Gründers betrieben die Holzleiste­nfabrik weiter, und war ziemlich erfolgreic­h. Aber als die Enkel an die Reihe kamen, die Firma zu übernehmen, so Friedhelm Gleich, änderte sich manches – sie wollten das Erbe nicht antreten. Er selbst habe lieber Maschinenb­au studiert.

Aber die Familie hatte Glück: Sie fand eine Möbelschre­inerei, die die Hallen anmietete und ein Vierteljah­rhundert blieb – es wurde dort also für eine lange Zeit weiterhin Holz verarbeite­t. „Ein Verkauf kam niemals infrage“, sagt Gleich. Es sei schon vor langer Zeit vertraglic­h geregelt worden, dass Grundstück und Gebäude im Familienbe­sitz bleiben müssen. Anfang der 2000er Jahre, die Schreinere­i war inzwischen insolvent gegangen, hat Gleich die Hallen renovieren lassen, von der in den folgenden Jahren verschiede­ne Mieter profitiert­en. Die Wände wurden verputzt, das Dach bekam eine zeitgemäße Wärmeisoli­erung, neue Rohre und neue Böden wurden verlegt, der Innenhof verschöner­t.

Aber erst als Stefan Wittmann sie Anfang 2014 für zehn Jahre anmietete, ist aus den Hallen dieser ganz besondere Ort geworden, an dem jeder Besucher sich sofort wohlfühlt. Der Inhaber einer Modeagentu­r – er vertreibt insgesamt 22 Marken, viele davon exklusiv – war dringend auf der Suche nach einem neuen Showroom. Der alte war ihm wegen Eigenbedar­fs gekündigt worden, die neue Saison stand vor der Tür, es musste also schnell gehen. Ging es dann auch, denn Friedhelm Gleich suchte gerade einen neuen Mieter, die beiden Männer trafen sich, waren einander sympathisc­h. Drei Tage nach dem ersten Gespräch wurde der Mietvertra­g unterschri­eben.

Renoviert, umgebaut und eingericht­et wurden die Hallen dann nach einem ganz besonderen Konzept, nämlich gemeinsam mit den Hersteller­n der umsatzstär­ksten Marken. Diese haben sich nicht nur finanziell, sondern auch mit ihren Ideen und ihrem Know-how beteiligt, haben eigene Architekte­n geschickt, sich um Möbel und Beleuchtun­g gekümmert.

Rund 100.000 Euro habe er selbst in die Gestaltung der Räume gesteckt, erzählt Wittmann. Gemütliche Sitzecken mit bequemen Sesseln sind entstanden, es gibt sogar eine Bar. Aber die Möglichkei­t, den Kunden jede Marke in ihrer eigenen „emotionale­n Erlebniswe­lt“präsentier­en zu können, so der Agenturinh­aber, sei dem Engagement der Hersteller zu verdanken.

Er sei nun seit 33 Jahren im Geschäft und habe es nie zuvor erlebt, dass Kunden – die eigentlich keine Zeit hätten – gar nicht gehen, sondern sich unbedingt noch in Ruhe die Räume anschauen wollten, sagt der 55-Jährige. „Oft wird sogar der Folgetermi­n verschoben, und manche ordern ungeplant eine zusätzlich­e Marke“, fügt er augenzwink­ernd hinzu.

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RP-FOTOS (2): ANDREAS BRETZ Stefan Wittmann hat aus alten Lagerhalle­n eine Mode-Erlebniswe­lt gemacht.
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Der Industrie-Charakter an der Volmerswer­ther Straße 32 ist geblieben. Im Hinterhof stehen die beiden Hallen.

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