Machtwechsel in NRW
• CDU drei Prozentpunkte vor SPD • Hannelore Kraft tritt von allen Parteiämtern zurück • FDP zweistellig • AfD sicher im Landtag • Grüne nur bei sechs Prozent • Hohe Wahlbeteiligung
DÜSSELDORF Im Superwahljahr 2017 hat die CDU der SPD in Nordrhein-Westfalen ihre bislang spektakulärste Niederlage beigebracht. Die Christdemokraten legten bei der gestrigen Landtagswahl in einer dramatischen Aufholjagd um etwa sieben Prozentpunkte auf gut 33 Prozent der Stimmen zu und wurden zur stärksten Partei im bevölkerungsreichsten Bundesland. Falls die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte, könnte die CDU sogar eine schwarz-gelbe Koalition anführen. Die SPD von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sackte dagegen auf gut 31 Prozent ab (2012: 39,1), ebenso wie der grüne Koalitionspartner, dessen Stimmenanteil sich mit etwa sechs Prozent nahezu halbierte. Da Wahlen in NRW traditionell als „kleine Bundestagswahl“gelten, war das Echo in Berlin entsprechend groß.
„Heute ist ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen“, sagte Wahlsieger Armin Laschet. Für eine mögliche Regierungskoalition wolle er mit allen „demokratischen Parteien“sprechen. Ausdrücklich bedankte sich Laschet bei Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Sie ist sehr häufig in NRW aufgetreten. Entscheidend war, dass wir Kurs gehalten haben - das hat auch Angela Merkel immer ausgezeichnet.“
Die Sozialdemokraten verbuchen in ihrer einstigen Hochburg wohl ihr schlechtestes Ergebnis seit der Gründung Nordrhein-Westfalens. Eine sichtlich gezeichnete Hannelore Kraft gratulierte Laschet zum Wahlerfolg und wünschte ihm „eine gute Hand für unser Land“. „Die Entscheidungen, die getroffen worden sind, dafür übernehme ich persönlich die Verantwortung. Deshalb werde ich mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als Landesvorsitzende der SPD und als stellvertretende Bundesvorsitzende zurücktreten, damit die NRW-SPD eine Chance auf einen Neuanfang hat.“
Von einer „wirklich krachenden Niederlage“sprach der SPD-Vorsitzende Martin Schulz. „Das ist ein schwerer Tag für die SPD. Es ist ein schwerer Tag auch für mich persönlich“, so der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten in Berlin. Es blieben aber noch gut vier Monate bis zur Bundestagswahl am 24. September. Er selbst habe sich vorgenommen, in Zukunft konkreter zu sagen, wofür er tatsächlich stehe. Auch in den Wahlumfragen für den Bund war die SPD zuletzt wieder abgesackt auf einen Zehn-Punkte-Abstand zur Union.
Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) „ist der berühmte Schulz-Ef- fekt ein Thema von vorgestern“. Zwar habe es sich um eine Landtagswahl mit Landesthemen gehandelt. Auffällig sei jedoch, dass die CDU zuvor auch bei den Landtagswahlen im Saarland und Schleswig-Holstein erfolgreich gewesen sei.
Für die CSU hat Schulz sogar die Wahlschlappe der SPD in NRW mitverschuldet: Bayerns Finanzminister Markus Söder nannte das Wahlergebnis einen Erdrutsch. „Der Schulz-Effekt zieht die Partei weiter runter“, sagte der CSU-Politiker. „Das gibt starken Rückenwind für die Union in Berlin.“
CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn rät seiner Partei, das Erfolgsmodell des NRW-Wahlkampfs auch im Bund zu nutzen. „Wir haben in NRW mit Armin Laschet einen klaren inhaltlichen Fokus auf innere Sicherheit und mehr wirtschaftliche Dynamik gelegt“, sagte Spahn unserer Redaktion. „Die Themen sollten wir auch mit in die Bundestagswahl nehmen und nach vorne stellen.“
Auch die Vorsitzende der NRW-Grünen, die bisherige Schulministerin Sylvia Löhrmann, will in der künftigen NRW-Landtagsfraktion ihrer Partei nach den deutlichen Stimmenverlusten bei der Landtagswahl kein Amt mehr übernehmen. „Den Anteil, den ich an dieser Niederlage habe, den nehme ich auch an.“Drastische Worte wählte die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt: „Die Wahl in NRW ist für uns ein deprimierendes Ergebnis – ein Schlag in die Magengrube.“
Die Linkspartei hielt der SPD einen zu strengen Abgrenzungskurs vor. Der SPD habe es nichts gebracht, eine Zusammenarbeit mit den Linken auszuschließen, sagte Linken-Chef Bernd Riexinger.
Die FDP feierte ihr bestes NRWErgebnis seit mehr als 60 Jahren. Für FDP-Landes- und Bundeschef Christian Lindner bedeutet eine Mehrheit von CDU und FDP in NRW aber nicht zwangsläufig auch eine Koalition dieser beiden Partei- en. „Es könnte sein, dass es eine schwarz-gelbe Mehrheit gibt. Eine schwarz-gelbe Mehrheit heißt aber nicht, dass es eine schwarz-gelbe Regierung gibt.“Die CDU habe mehr Wahlkampf gegen die FDP als gegen die SPD gemacht.
Auch in NRW hat die AfD auf Anhieb den Einzug in den Landtag geschafft. „Wir wünschen uns für den Bundestagswahlkampf und für die Wahl am 24. September noch mehr, aber wir sind sehr zufrieden mit einem derartigen Ergebnis für dieses größte Bundesland“, sagte die AfDVorsitzende Frauke Petry. Erste Hochrechnungen zeigten die AfD bei gut sieben Prozent. Angesprochen auf jüngste Differenzen in der AfD räumte Petry ein: „Wir haben viele Diskussionen extern geführt, die besser intern geblieben wären.“
Die einst als politische Newcomer gefeierten Piraten müssen sich aus ihrem letzten Landtag verabschieden. Sie rissen mit nur etwa einem Prozent der Stimmen die Fünf-Prozent-Hürde. In der Vorwoche hatten sie es nicht mehr in den Landtag in Schleswig-Holstein geschafft. Die Wahl hatte die Menschen in NRW deutlich stärker mobilisiert als in den vergangenen Jahren. 66 Prozent der Bürger gaben ihre Stimme ab, vor fünf Jahren waren es nur 59,6 Prozent gewesen.