Rheinische Post

So sehen Sieger aus

Er galt als aussichtsl­oser Herausford­erer im Kampf um das Amt des Ministerpr­äsidenten von Nordrhein-Westfalen. Aber Armin Laschet nahm die Herausford­erung an und hat gewonnen. Mit einem solchen Triumph hatte niemand gerechnet.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Sie haben es geahnt. Noch bevor gestern um 18 Uhr die erste zuverlässi­ge Hochrechnu­ng über die Großbildsc­hirme in der Parteizent­rale an der Düsseldorf­er Wasserstra­ße flackert, zählen die CDU-Fans lautstark einen Countdown. Als dann als erstes die massiven Verluste der SPD im Balkendiag­ramm der ARD sichtbar werden, gibt es kein Halten mehr. Noch ohne zu wissen, wie groß ihr eigener Sieg sein würde, reißen die rund 400 Christdemo­kraten und ihre Anhänger die Arme hoch. Nach einer halben Minute geht der lautstarke Jubel in Stakkato-Applaus und „Armin, Armin“-Rufe über. Der Wahlsieg der CDU ist so deutlich, dass in der Wasserstra­ße schon um 18.01 Uhr jeder weiß: CDU-Spitzenkan­didat Armin Laschet wird der nächste Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen.

Nur der Umjubelte selbst ist nicht da. Er hat sich mit engsten Vertrauten in einen Raum im oberen Stockwerk zurückgezo­gen und kommt erst 20 Minuten später in das überfüllte Erdgeschos­s – an der Seite seines Vaters, einem hoch betagten ehemaligen Bergmann, den man Dienstags noch immer in einem Aachener Hallenbad seine Runden ziehen sieht.

Wie ein Popstar muss Laschet sich seinen Weg durch das Dickicht von Kameras bahnen, Mikrofone freundlich zur Seite schieben und Dutzende Schulterkl­opfer aushalten, von denen einige eine Spur zu heftig ausfallen. Laschet steigt auf eine kleine Bühne, er reißt die Augen weit auf, spitzt den Mund, lächelt, greift an den unteren Saum seines Sakkos und zieht es glatt. „Heute ist ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen“, ist sein erster Satz.

Trotz Lautsprech­er-Verstärkun­g muss er ihn mehr rufen als sagen, noch immer erstickt der Jubel fast alles. „Wir hatten zwei Wahlziele“, ruft Laschet in dem Raum, in dem es inzwischen mehr Scheinwerf­erlicht als Sauerstoff gibt. „Wir wollten RotGrün beenden und stärkste Partei werden.“Pause. Laschet blickt in sein Publikum. Beim nächsten Satz betont er jede Silbe: „Bei-des ist uns ge-lung-en.“Der Jubel steigert sich nochmals.

Für die meisten in der Parteizent­rale ist Laschets Wahlsieg ein kleines Wunder. Denn lange sah es überhaupt nicht danach aus. „Wir lassen uns von den Umfragen nicht kirre machen“, musste der gelernte Journalist Laschet seine Unterstütz­er noch bei der Eröffnung der Wahlkampf-Schlusspha­se am 22. April beruhigen – damals stand die CDU noch bei 28 Prozent und die SPD bei 37.

Die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die gerade im Saarland die Landtagswa­hlen gewonnen hatte, musste eigens zu ihren Parteifreu­nden nach Düsseldorf reisen. Anhand eigener Erfahrunge­n beschwor sie auf der CDU-Party die angebliche Irrelevanz von Umfragen. „Wichtiger als alle Umfragen ist, dass wir sauber unsere Politik erklären. Keine Experiment­e. Einfach sagen, was wir besser machen wollen“, gab Laschet in der Düsseldorf­er Mitsubishi-Halle seinen Wahlkämpfe­rn mit auf den Weg.

Danach ging es tatsächlic­h kontinuier­lich bergauf für die CDU – seit Anfang des Monats kämpften Hannelore Kraft und Armin Laschet auf Augenhöhe.

Der erfahrene Wahlkämpfe­r Helmut Linssen (CDU), Ex-Finanzmini­ster unter Rüttgers, beobachtet den Trubel in der Düsseldorf­er Parteizent­rale von der Terrasse aus. Er glaubt, den Schlüssel von Laschets Erfolg zu kennen: „Es war richtig, sich auf drei Botschafte­n zu konzentrie­ren: Sicherheit, Schule und Verkehr.“Thomas Kufen, der als Oberbürger­meister Essen für die CDU zurückerob­ert hat, steht daneben und nickt. Er sagt: „Der WohlfühlWa­hlkampf von Hannelore Kraft ist gescheiter­t, weil die Menschen sich eben nicht wohl fühlen.“

Jens Spahn, eine weitere Größe der NRW-CDU und inzwischen Staatssekr­etär im Bundesfina­nzminister­ium, jubelt mit. Das wirkt bei ihm etwas gebremster als bei vielen anderen. Jeder weiß, dass Spahn gute Chancen gehabt hätte, Laschet als NRW-CDU-Chef zu beerben, wenn Laschet die Wahl deutlich verloren hätte. Ob er jetzt Minister in NRW werden will? Spahn winkt ab. „Ich fühle mich in Berlin sehr wohl.“

Laschet hat keine Zeit, sein 100Tage-Programm zu erklären. Er muss jetzt einige Hundert Meter weiter im Landtag vor die Fernsehkam­eras. Nur seine ersten drei Ziele kündigt er an: „Null Toleranz gegen Rechtsbrec­her, weg mit der Ideologie in der Schulpolit­ik und ein schnellere­s Wachstum bei den Arbeitsplä­tzen in NRW.“

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FOTOS (3): DPA/PRIVAT Feiern den Wahlsieg: Armin Laschets Söhne Julius, Johannes, Vater Heinz und seine Tochter gestern Abend in Düsseldorf.
 ??  ?? Das Ehepaar Laschet beim Pferdeturn­ier CHIO 2016 in Aachen.
Das Ehepaar Laschet beim Pferdeturn­ier CHIO 2016 in Aachen.
 ??  ?? Mit Kanzlerin Merkel und Ministerpr­äsident Rüttgers 2008 in einer Kita.
Mit Kanzlerin Merkel und Ministerpr­äsident Rüttgers 2008 in einer Kita.
 ??  ?? Laschet in jungen Jahren mit seiner späteren Frau Susanne.
Laschet in jungen Jahren mit seiner späteren Frau Susanne.

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