So sehen Sieger aus
Er galt als aussichtsloser Herausforderer im Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen. Aber Armin Laschet nahm die Herausforderung an und hat gewonnen. Mit einem solchen Triumph hatte niemand gerechnet.
DÜSSELDORF Sie haben es geahnt. Noch bevor gestern um 18 Uhr die erste zuverlässige Hochrechnung über die Großbildschirme in der Parteizentrale an der Düsseldorfer Wasserstraße flackert, zählen die CDU-Fans lautstark einen Countdown. Als dann als erstes die massiven Verluste der SPD im Balkendiagramm der ARD sichtbar werden, gibt es kein Halten mehr. Noch ohne zu wissen, wie groß ihr eigener Sieg sein würde, reißen die rund 400 Christdemokraten und ihre Anhänger die Arme hoch. Nach einer halben Minute geht der lautstarke Jubel in Stakkato-Applaus und „Armin, Armin“-Rufe über. Der Wahlsieg der CDU ist so deutlich, dass in der Wasserstraße schon um 18.01 Uhr jeder weiß: CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet wird der nächste Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
Nur der Umjubelte selbst ist nicht da. Er hat sich mit engsten Vertrauten in einen Raum im oberen Stockwerk zurückgezogen und kommt erst 20 Minuten später in das überfüllte Erdgeschoss – an der Seite seines Vaters, einem hoch betagten ehemaligen Bergmann, den man Dienstags noch immer in einem Aachener Hallenbad seine Runden ziehen sieht.
Wie ein Popstar muss Laschet sich seinen Weg durch das Dickicht von Kameras bahnen, Mikrofone freundlich zur Seite schieben und Dutzende Schulterklopfer aushalten, von denen einige eine Spur zu heftig ausfallen. Laschet steigt auf eine kleine Bühne, er reißt die Augen weit auf, spitzt den Mund, lächelt, greift an den unteren Saum seines Sakkos und zieht es glatt. „Heute ist ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen“, ist sein erster Satz.
Trotz Lautsprecher-Verstärkung muss er ihn mehr rufen als sagen, noch immer erstickt der Jubel fast alles. „Wir hatten zwei Wahlziele“, ruft Laschet in dem Raum, in dem es inzwischen mehr Scheinwerferlicht als Sauerstoff gibt. „Wir wollten RotGrün beenden und stärkste Partei werden.“Pause. Laschet blickt in sein Publikum. Beim nächsten Satz betont er jede Silbe: „Bei-des ist uns ge-lung-en.“Der Jubel steigert sich nochmals.
Für die meisten in der Parteizentrale ist Laschets Wahlsieg ein kleines Wunder. Denn lange sah es überhaupt nicht danach aus. „Wir lassen uns von den Umfragen nicht kirre machen“, musste der gelernte Journalist Laschet seine Unterstützer noch bei der Eröffnung der Wahlkampf-Schlussphase am 22. April beruhigen – damals stand die CDU noch bei 28 Prozent und die SPD bei 37.
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die gerade im Saarland die Landtagswahlen gewonnen hatte, musste eigens zu ihren Parteifreunden nach Düsseldorf reisen. Anhand eigener Erfahrungen beschwor sie auf der CDU-Party die angebliche Irrelevanz von Umfragen. „Wichtiger als alle Umfragen ist, dass wir sauber unsere Politik erklären. Keine Experimente. Einfach sagen, was wir besser machen wollen“, gab Laschet in der Düsseldorfer Mitsubishi-Halle seinen Wahlkämpfern mit auf den Weg.
Danach ging es tatsächlich kontinuierlich bergauf für die CDU – seit Anfang des Monats kämpften Hannelore Kraft und Armin Laschet auf Augenhöhe.
Der erfahrene Wahlkämpfer Helmut Linssen (CDU), Ex-Finanzminister unter Rüttgers, beobachtet den Trubel in der Düsseldorfer Parteizentrale von der Terrasse aus. Er glaubt, den Schlüssel von Laschets Erfolg zu kennen: „Es war richtig, sich auf drei Botschaften zu konzentrieren: Sicherheit, Schule und Verkehr.“Thomas Kufen, der als Oberbürgermeister Essen für die CDU zurückerobert hat, steht daneben und nickt. Er sagt: „Der WohlfühlWahlkampf von Hannelore Kraft ist gescheitert, weil die Menschen sich eben nicht wohl fühlen.“
Jens Spahn, eine weitere Größe der NRW-CDU und inzwischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, jubelt mit. Das wirkt bei ihm etwas gebremster als bei vielen anderen. Jeder weiß, dass Spahn gute Chancen gehabt hätte, Laschet als NRW-CDU-Chef zu beerben, wenn Laschet die Wahl deutlich verloren hätte. Ob er jetzt Minister in NRW werden will? Spahn winkt ab. „Ich fühle mich in Berlin sehr wohl.“
Laschet hat keine Zeit, sein 100Tage-Programm zu erklären. Er muss jetzt einige Hundert Meter weiter im Landtag vor die Fernsehkameras. Nur seine ersten drei Ziele kündigt er an: „Null Toleranz gegen Rechtsbrecher, weg mit der Ideologie in der Schulpolitik und ein schnelleres Wachstum bei den Arbeitsplätzen in NRW.“