Rheinische Post

Der düstere Hüter des Goldschatz­es

Georg Hornemann startet neu in Berlin und auf der Kö. Der Goldschmie­d ist ein anerkannte­r Künstler, der auch in der Hauptstadt gut ankommt.

- VON ANNETTE BOSETTI

Der Greif ist elitär, sagt sein Schöpfer. Ein Zwitter aus Skulptur und Schmuck. Polierte Bronze in einer fein getönten Legierung. Mit seinem Katzengesi­cht, den Luchs-Ohren und Fantasiekr­allen, den riesigen Flügeln und der Adlernase denkt man an einen fliegenden Hund oder an eine Fledermaus. Doch dafür ist dieses Exemplar zu schwer.

Alles nur Fantasie? Oder hat es ihn wirklich gegeben? Der Greif hat einen langen Wikipedia-Eintrag, also gibt es das aus Tierkörper­n geformte mythische Wesen wohl auch. Jetzt ist das uralte fabelhafte Tier in der Werkstatt von Georg Hornemann neu entstanden, knapp 40 Zentimeter hoch behauptet der Greif seinen Platz als Wächter des Goldes.

Georg Hornemann (77) hatte das für ihn fasziniere­nde Wesen schon über zehn Jahre als Figur im Kopf, gedanklich und formal, bevor er erste Skizzen anfertigte. Vieles hatte er darüber gelesen, bevor der Greif vor seinem inneren Auge Konturen annahm. Nach der Skizze wurde ein Wachsblock gefräst, grob proportion­iert, dann fein herausgear­beitet, zum Gießer gebracht ... am Ende eines langen Prozesses steht er da, so als wäre er immer schon auf der Welt gewesen.

Schön – sagt man auf den ersten Blick, schaurig – auf den zweiten, kostbar – wenn man vom Preisgefüg­e hört im fünfstelli­gen Bereich für eine 12er Auflage. Wie sein Greif so ist auch Hornemann von Jobs wegen eine Art Zwitter. Mal tendiert er mehr zum extravagan­ten Goldschmie­d (einer der führenden internatio­nal), mal mehr zum Künstler. Den Weg dorthin begann der gebür- tige Dessauer erst spät im Leben auszubauen. Je älter er wurde, desto mehr packte ihn das. Lange Zeit wurde er von seinem Freund und Lehrmeiste­r Markus Lüpertz darin bestärkt und weitergebi­ldet.

In seinen Kunstobjek­ten kann Hornemann vieles anklingen lassen, wozu die Worte oft fehlen: Er setzt einen Kinderkopf auf einen kleinen Körper mit Krallen in einen goldenen Käfig und nennt diese Skulptur „Gefangenes Kind im Netzwerk des Kapitalism­us und des Krieges“. Oder er baut einen Arm mit Oberarm und Unterarm aus Elle und Speiche im Originalma­ßstab nach, fixiert die Hand, so dass sie ihre Beweglichk­eit einbüßt. Dann besetzt er die mittlere Finger-Linie mit fein aufgereiht­en pinkfarben­en Saphiren.

Ein vergoldete­s Flak-Geschütz kommt dabei heraus, ein Kanonenroh­r mit Karat, gelenkt von menschlich­er Kraft. Ganz neu ist diese Skulptur, die Hornemann „Hand des Krieges“genannt hat und daran gemahnt, dass wir auch heute in Kriegsgefa­hr auf der Erde leben. Noch subtiler sind weitere Anspielung­en zu deuten: Dass die Hand für das Kriegsgesc­hehen unerlässli­ch ist und dass den Waffenhand­el letztlich auch die Hand führt.

Alle Arbeiten, die Georg Hornemann neu geschaffen hat seit seinem Umzug 2016 aus dem angestammt­en Paffrath-Haus an der Kö, haben neben der blendenden Ästhetik eine hohe aggressive und suggestive Ausdrucksk­raft. Sie verbinden Vergangenh­eit mit Gegenwart, gedanklich die Welten. Es fällt nicht schwer, sich vorzustell­en, dass Hornemann auch zu Zeiten der Renaissanc­e hätte zur Welt kommen können, seine Schätze formen sich wie in modernen Wunderkamm­ern.

Nach dem Abschied von seinem mondänen Ladenlokal mit Schaufenst­er an der Kö hat sich das Unternehme­n Hornemann auch neu aufgestell­t und gewisserma­ßen neu erfunden. Zuerst wurde alles zweigeteil­t, die jungen Leute, Alexander und Claudia Hornemann, haben in der Berliner Schlüterst­raße eröffnet: ein edler Showroom, in dem derzeit die zweite Ausstellun­g reichlich Neugierige und Kundschaft anzieht. Am Gallery Weekend kam die Mischung von Robert Mapplethor­pe (Fotograf), Wolfgang Olbricht (Sammler) und Georg Hornemann (Schmuck und Kunst) gut an.

Der Chef des Unternehme­ns bleibt Georg Hornemann, er ist die Herzkammer, sagt die Familie. Man ist auf der Kö in Düsseldorf ein paar Blöcke weiter hoch gezogen mit Blick auf den Kö-Bogen. Der neue Showroom im Obergescho­ss und die Werkstatt sind kleiner. Ein Teil seiner Goldschmie­de ist mit Sohn Alexander nach Berlin gegangen; in Düsseldorf sind noch fünf Werkstattp­lätze erhalten. Alles scheint wie zuvor – nur in Miniatur. Das streng künstleris­che Arbeiten hat der Goldschmie­d ausgelager­t in ein eigenes Atelier am Stadtrand.

Die Schaffensk­raft von Georg Hornemann, der sich selbst als Einzelgäng­er bezeichnet, ist ungebro- chen, obwohl die Veränderun­g Kraft gekostet hat. Die Fantasie belebt sein Leben, er ist ein Unruhegeis­t, sammelt, liest, zeichnet, skizziert. Und dann entstehen wieder neue Figuren, die so seltsam über der Zeit stehen und doch in die Aktualität einzugreif­en vermögen. Mit harten Posen aus edlem Material.

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FOTO: ATELIER HORNEMANN Unheimlich­er Wächter: Georg Hornemanns neueste Schöpfung ist dieser bronzene Greif, 13 cm breit, 38 cm hoch und 19 cm tief.

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