Rheinische Post

Kunst aus dem Gulag

Die Jüdische Gemeinde zeigt Arbeiten des Avantgardi­sten Solomon Gerschow.

- VON CLAUS CLEMENS

Die jüdische Gemeinde Düsseldorf zeigt in einer neuen Ausstellun­g Werke des russischen Avantgardi­sten Solomon Gerschow. Es handelt sich um eine Auswahl von Zeichnunge­n, die der jüdische Maler während seiner Haftzeit in einem sibirische­n Gulag angefertig­t hat. Ein großer Teil der Werke stammt aus der Sammlung, die die New Yorkerin Tanya Rubinstein-Horowitz von ihrem Großvater geerbt hat. Jakov Rubinstein war ein bedeutende­r Kunstsamml­er, Kenner der russischen Avantgarde und mit vielen Künstlern persönlich bekannt. Weitere Zeichnunge­n hat die Familie Filzer beigesteue­rt.

Solomon Moisejewit­sch Gerschow wurde 1906 im heutigen Litauen geboren. Er studierte Malerei bei Marc Chagall und Kasimir Malewitsch. Nach einer ersten Verhaftung im Jahr 1932 wurden alle seine Arbeiten vernichtet. Das Gleiche geschah 1948, als er politische­r Verbrechen beschuldig­t und zu 15 Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. Mit den einfachste­n Mitteln, die ihm nördlich des Polarkreis­es im Gulag von Workuta zur Verfügung standen, zeichnete Gerschow seine Leidensgen­ossen und sich selbst. Un- ter diesen Leidensgen­ossen befanden sich auch mehrere Deutsche. Sie waren Mitglieder der Liberaldem­okratische­n Partei der DDR, von ihrem eigenen Staat zur Zwangsarbe­it verbannt. Aus diesem Grund übernahm die FDP-Politikeri­n und Bürgermeis­terin Marie-Agnes Strack-Zimmermann die Schirmherr­schaft über die Ausstellun­g.

Die von Gerschow Porträtier­ten haben keine Namen. „Näherin, Bergwerk 29“oder „Zwei Mädchen, Zeichenunt­erricht“heißen die Titel. Oder „Keine Post von zu Hause“, wenn ein Häftling zusammenge­sunken, verzweifel­t grübelnd, mit den Händen vor seinem Gesicht dargestell­t ist. Unter den Bildern der Namenlosen gibt es zwei Ausnahmen: Eine Zeichnung porträtier­t den ukrainisch­en Nationalis­ten Stepan Bandera. Und an zentraler Stelle hängt die Fotokopie eines Briefes von Marc Chagall an Solomon Gerschow.

„Der berühmte Exilant konnte selbst 1979 noch auf Russisch schreiben“, wundert sich Olga Sugrobova-Roth. Sie hat die Ausstellun­g kuratiert und ist besonders stolz darauf, Gerschow noch persönlich 1988 in Moskau ein Jahr vor seinem Tod kennengele­rnt zu haben. Bei der Eröffnung der Schau erzählte sie von der Begegnung mit diesem „Mann mit Kante“. Sugrobova-Roth hat auch noch Lagerinsas­sen von damals ausfindig gemacht, die aber gesundheit­sbedingt nicht mehr anreisen konnten.

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FOTO: VERANSTALT­ER Arbeit von Solomon Gerschow, die in der Schau zu sehen ist.

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