Rheinische Post

Der große Tag im Leben der Wahlhelfer

Der Wahlschein sieht bei allen gleich aus. Doch die Wahlhelfer geben jedem Kreuzchen eine eigene Geschichte mit auf den Weg.

- VON LISA KLOSE UND ANNE ORTHEN (FOTOS)

Bereits um halb acht steht Karen Konrad (60) gestern Morgen mit ihren zwei Söhnen vor dem Nordfriedh­of. Die drei haben einen langen Tag vor sich – denn erst wenn alle Stimmen ausgezählt sind, können sie den Friedhof wieder verlassen. Nicht nur der Standort des Wahllokals in Derendorf ist etwas kurios. Es kommt auch nicht alle Tage vor, dass der Wahltag zu einem kleinen Familientr­effen der ehrenamtli­chen Helfer wird. Denn neben Karen Konrads Söhnen gehören noch drei weitere Familienmi­tglieder zum Helferteam, und zwischen Listen, Wahlschein­en und Urnen wird dieses Jahr sogar noch Muttertag gefeiert. Der erste Wähler steht übrigens pünktlich um acht Uhr vor der Tür. Als der vierfach gefaltete Bogen in der Urne verschwind­et, hat die Familie ihre Feuerprobe bestanden. Am Abend werden alle den Wahltag mit einem gemeinsame­n Essen beschließe­n.

Normalerwe­ise sieht jeder Bürger an einem Tag nur ein Wahllokal von innen. Das wäre Justin Morschheus­er (20) zu eintönig: Er holt ältere Menschen aus der ganzen Stadt von zuhause ab und fährt sie zur Urne. Sein Wahltaxi ist ein schwarzer Audi mit beigen Sitzen, viel Beinfreihe­it und genug Platz, um auch Rollatoren jeder Größe zu transporti­eren. Selbst war er schon um 9 Uhr im Goethe-Gymnasium in Düsseltal wählen, am Mittag holt er in Garath Edelgard Schultz (88) ab, die ihr Leben lang keine Wahl verpasst hat und damit auch im Alter nicht anfangen möchte. Sie hätte zwar auch per Briefwahl ihre Stimme abgeben können – aber der Gang ins Wahllokal gehöre für sie einfach dazu, sagt sie. Von ihrem jungen Begleiter ist sie so begeistert, dass sie ihn zu einer kleinen Spritztour an den Rhein überreden will. Doch Justin hat noch einige Adressen auf seiner Liste, wo ihn eifrige Wähler erwarten.

Ebenfalls in Garath, auf dem Hof eines Weiterbild­ungskolleg­s, steht ein großer weißer Container. Darin befindet sich ein Wahllokal, das durch einen wenig schmeichel­haften Rekord bekanntgew­orden ist. Bei der letzten Landtagswa­hl wurde hier mit 7,26 Prozent die niedrigste Wahlbeteil­igung gemessen. Sebastian Kluckow (30), 200 Meter entfernt aufgewachs­en, ist dieses Jahr hier Wahlvorste­her. Er spricht manche Wähler mit Namen an und wird auch seinen eigenen Stimmzette­l in die Urne werfen, die er den Tag über bewachen muss. „Früher brachten uns die Parteien Kuchen oder Brötchen vorbei“, sagt Kluckow. Heute würden sie abwechseln­d Mittagspau­se machen und zum Imbiss gehen. Sein Wahllokal wird dieses Jahr wohl bei der Wahlbeteil­igung besser abschneide­n, um 12.45 Uhr liegt diese jedenfalls bei 28 Prozent.

Nur wenige Kilometer entfernt in Hellerhof setzten die Wähler noch einen drauf. Das Wahllokal in der evangelisc­hen Kirchengem­einde lag vor vier Jahren mit einer Wahlbeteil­igung von 63,25 Prozent stadtweit auf Platz eins. Hier wählt heute Katrin Janus (20) zum ersten Mal und trifft dabei auf eine erfahrene Wahlhelfer­in: Cornelia Pützer (50) ist seit mehr als 30 Jahren ehrenamtli­ch im Einsatz und kennt die Abläufe im Schlaf. Unablässig kommen neue Wähler in den schlichten Raum, auf der Straße bilden sich kleine Menschenst­röme, die zur Wahlurne streben.

Pützer bringt nichts aus der Ruhe, auch beim 300. Mal klingt ihr „Bitte falten Sie den Zettel zweimal, sonst passt er nicht in die Urne“noch freundlich. Um 18 Uhr wird sie die Tür symbolisch schließen. Gemäß dem Protokoll werden dann die Worte „Damit ist die Wahlhandlu­ng beendet“gesprochen. Die Auszählung kann beginnen.

 ??  ?? Dirk Rößler (32, l.), Sven Rößler (39) und ihre Mutter Karen Konrad (60) helfen im Wahllokal am Nordfriedh­of.
Dirk Rößler (32, l.), Sven Rößler (39) und ihre Mutter Karen Konrad (60) helfen im Wahllokal am Nordfriedh­of.
 ??  ?? Justin Morschheus­er bringt Edelgard Schultz (88) zum Wahllokal. Sie hat bisher keine Wahl verpasst.
Justin Morschheus­er bringt Edelgard Schultz (88) zum Wahllokal. Sie hat bisher keine Wahl verpasst.
 ??  ?? Katrin Janus aus Hellerhof ist 20 Jahre alt und geht zum ersten Mal zur Wahl. Sie hat vorher mit Freunden den Wahl-O-Mat genutzt.
Katrin Janus aus Hellerhof ist 20 Jahre alt und geht zum ersten Mal zur Wahl. Sie hat vorher mit Freunden den Wahl-O-Mat genutzt.
 ??  ?? Sebastian Kluckow wirft seinen Stimmzette­l in die Urne im Wahllokal in Garath, wo diesmal die Wahlbeteil­igung höher liegt als bei der Landtagswa­hl 2012.
Sebastian Kluckow wirft seinen Stimmzette­l in die Urne im Wahllokal in Garath, wo diesmal die Wahlbeteil­igung höher liegt als bei der Landtagswa­hl 2012.

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