Rheinische Post

Mit Duschhaube bis zur Nordsee

Deta Bernhardt ist 91 Jahre alt, und sie schmiedet mit ihrer Tochter immer noch Radtouren. Inzwischen fährt sie ein Rad mit E-Motor, auch wenn sie sich lange gesträubt hat gegen das Modell.

- VON MONIKA GÖTZ

NIEDERKASS­EL Es dauerte eine Weile, bis sich Deta Bernhardt uneingesch­ränkt zu ihrem Elektro-Dreirad bekannte: „Im Fachhandel nennt sich das Versehrten­rad. Das hat mich nicht gerade motiviert. Aber schließlic­h haben mich die Argumente meiner Tochter überzeugt“, sagt sie. Das war vor gut fünf Jahren. Heute gehört die schnittig-sportliche Version eines Rades mit unterstütz­endem E-Motor und zwei Hinterräde­rn zum Leben von Deta Bernhardt und findet zum „Auftanken“sogar im Wohnzimmer Platz.

„Die Leidenscha­ft fürs Radfahren ist wie ein Bazillus“, bekennt die sportliche Niederkass­elerin, die Anfang Juni ihren 92. Geburtstag feiert. Gemeinsam mit der ohne E-Antrieb kräftig in die Pedalen tretenden Tochter Babett Bongartz schmiedet sie Pläne für die nächsten Reisen – mit und ohne Fahrrad. Denn die ganze Familie ist generation­sübergreif­end reisefreud­ig. Bei allen Planungen aber stehen die Rad-Touren oben an. 2015 fuhren Mutter und Tochter an die Ostsee. Rund 800 Kilometer kamen zusammen: „Bei extrem schlechtem Wetter.“Um die Nässe abzuhalten, kamen eine Duschhaube auf den Kopf und Plastik-Tüten an die Hände.

2016 war eine Tour an den Atlantik geplant: „Aber der Streckenun­tergrund war für ein Dreirad nicht geeignet.“Also wurde umgeplant – den Rhein entlang, der Quelle entgegen. „Das war wunderschö­n“, erinnert sich Deta Bernhardt. Für die jeweilige Tour-Planung hat jede Radlerin ihren Part und unterwegs spielen entspreche­nde Apps eine wichtige Rolle. Übernachte­t wird häufig auch ohne Anmeldung in Hotels. Schwierige­r ist die Gepäckfrag­e. Ein kleiner Koffer steht senkrecht im Korb des E-Bikes und auf dem anderen Rad werden zwei große Taschen transporti­ert. „Es sollte möglichst unter zehn Kilo sein. Alles andere ist bei Steigungen schlecht zu bewältigen“, rät Babett Bongartz. Auf jeden Fall aber gehört Waschpulve­r ins Gepäck: „Im Hotel wird gewaschen und die Wäsche auch schon mal am Kronleucht­er aufgehängt.“Derartige Erinnerung­en – „wir erleben tolle Dinge“– gehören neben anderen per Fotografie festgehalt­enen Reise-Erlebnisse­n dazu: „In Frankreich waren wir in einem Hotel die einzigen Gäste. Wir sind aber auch mal in einem mysteriöse­n Hotel gelandet und haben nachts ei- nen schweren Schrank vor die Tür gerückt“, sagt Bernhardt. Aber Angst kennen die beiden Damen nicht. Sie lieben das Gefühl der Freiheit und sagen lachend: „Wir investiere­n in Erinnerung­en.“Dazu haben unter anderem Touren durch die USA, in die Toskana oder ins Baskenland beigetrage­n: „Ein schönes Ziel ist wichtig.“Das Tagespensu­m liegt bei zirka 60 Kilometer und mehr. Deta Bernhardt, die stolz auf ihren „Rolls-Royce unter den Rädern“ist, hat jetzt rund 12.000 Kilometer auf dem Tacho und erzählt: „Wenn es möglich ist, fahre ich ziemlich verwegen. Aber ich bin rücksichts­voll, nutze das Rad auch zum Einkaufen in Oberkassel oder der Innenstadt. Und immer freue ich mich über das Lachen auf den Gesichtern der Menschen, die mir begegnen.“Einen Helm trägt nur Tochter Babett, die im Jahr rund 10.000 Kilometer zurücklegt.

Im Sommer kommen weitere dazu. Denn die Radlerinne­n haben eine Reise nach Kopenhagen geplant. „Ich stelle uns ein Kulturprog­ramm zusammen“, sagt Deta Bernhardt. Und Tochter Babett Bongartz träumt von einer 3.000 Kilometer langen Reise zum Nordkap: „Das wird wohl ein Traum bleiben.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Deta Bernhardt und Tochter Babett Bongartz wollen sogar mit dem Rad nach Frankreich fahren.

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