SPD und Grüne ringen um Neuanfang
Parteigremien beraten diese Woche über Personalien und die Konsequenzen aus der Niederlage.
DÜSSELDORF Nach der krachenden Niederlage bei der Landtagswahl stellen SPD und Grüne erste Weichen für einen Neuanfang. Gestern Abend kam der SPD-Landesvorstand in einer ersten Sitzung zusammen, um unter anderem über die Nachfolge von Hannelore Kraft an der Parteispitze zu beraten. Mit schnellen Ergebnissen wurde gestern nicht gerechnet. „Ich warne vor Schnellschüssen. Das ist auch nicht die Art dieses Landesverbands“, sagte Generalsekretär André Stinka. Es werde in dieser Woche mehrere Sitzungen geben.
Für eine schnelle Festlegung seien die Niederlage und der damit verbundene Rücktritt Krafts zu überraschend gekommen, heißt es in Parteikreisen. Unter anderem dürfte es zunächst um die Frage gehen, ob Partei- und Fraktionsvorsitz künftig in einer Hand liegen sollen. Fraktionschef ist zurzeit Norbert Römer (70). Er kündigte gestern an, die NRW-SPD werde sich für ihre personelle Neuausrichtung bis zum Sommer Zeit nehmen. Im Radiosender WDR 5 sagte er, die Partei wolle jetzt nicht nur analysieren, was bei der Wahl falsch gelaufen sei, sondern auch den Blick nach vorne richten. Es gebe viele junge Leute in der Partei, „die darauf brennen, diese Scharte wieder auszuwetzen“.
Teile der Partei fordern einen kompletten Neuanfang und Generationenwechsel. Es spreche einiges dafür, dass der neue nordrhein-westfälische Landesvorsitzende aus dem Parteivorstand rekrutiert wird. Sollte sich dieser Flügel durchsetzen, hätte der bisherige parlamentarische Geschäftsführer und Parteivize Marc Herter aus Hamm gute Chancen. Er gilt als politisches Talent mit der passenden Mischung aus Durchsetzungsstärke und Verbindlichkeit. Auch dem Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski räumen manche Chancen ein.
Wenn sich jedoch abzeichnet, dass eine große Koalition mit der CDU in NRW definitiv nicht zustande kommt, könnte sich der Kreis der Anwärter erweitern. Profilierte Ex-Minister wie Thomas Kutschaty (Justiz), Michael Groschek (Bau- und Verkehr) oder Norbert Walter-Borjans (Finanzen) könnten dann für Posten in der Partei gehandelt werden. „Die Partei täte gut daran, alle früheren Minister, die das Desaster mitverursacht haben, links liegen zu lassen“, sagt hingegen ein gut vernetzter Genosse. Er plädierte dafür, sich ausreichend Zeit zu nehmen, um zunächst zu definieren, wofür die SPD in NRW künftig stehen soll. Dass ein Bundespolitiker aus Berlin die NRW-Parteiführung übernehmen könnte, hält der Politologe Stefan Marschall für kaum vorstellbar. Die SPD müsse sich aus dem Land heraus neu aufstellen.
Auch die Grünen werden heute in ihrer ersten Fraktionssitzung nach der Landtagswahl den Grundstein für einen Neuanfang legen. Nach dem dramatischen Absturz von 11,3 auf jetzt nur noch 6,4 Prozent wird die Landtagsfraktion um etwa die Hälfte von bislang 29 Abgeordneten auf künftig wohl nur noch 14 Abgeordnete schrumpfen. In der Partei zeichnet sich ein Flügelkampf ab in der Frage, wer die Landespartei wieder aufrichten soll. Bislang waren die prominentesten Gesichter der Grünen Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh, Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, Umweltminister Johannes Remmel, sein Staatssekre- André Stinka tär Horst Becker und Gesundheitsministerin Barbara Steffens. Jeder dieser bisherigen Grünen-Frontleute hat in seinem Wahlkreis aber so herbe Verluste hinnehmen müssen, dass er oder sie kaum glaubwürdig am Neuanfang mitwirken kann.
Das Führungspersonal lässt sich allerdings auch nicht einfach austauschen. Denn genau diese Führungsclique hat ihren Wiedereinzug in den Landtag mit ausgezeichneten Listenplätzen abgesichert, so dass die alte Garde mehr als ein Drittel der neuen Fraktion ausmachen wird. Sie zu entmachten, dürfte kein leichtes Unterfangen sein, zumal der Gegenflügel mit Martin-Sebastian Abel und Stefan Engstfeld zwei wichtige und engagierte Mitstreiter hatte, deren schlechte Listenplätze für ihren Wiedereinzug in den Landtag nicht ausreichen. Viel deutet derzeit darauf hin, dass Monika Düker die Fraktionsführung übernehmen könnte. Als ehemalige Landeschefin (2010–2014) gehört sie zwar ebenfalls zum Urgestein der NRW-Grünen. Aber mit ihrem Rücktritt von der Funktion als flüchtlingspolitische Sprecherin bewies sie im Dezember ihre persönliche Unabhängigkeit auch vom unentschiedenen Flüchtlingskurs der damaligen Fraktionsspitze.