Rheinische Post

Lob ist gut gegen Stress

Ein Stressfors­cher der Uni kennt die Mittel gegen die Folgen hoher Belastung und unterstütz­t Unternehme­n bei der Prävention.

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War das wieder ein Stress heute! Dies dürfte einer der häufigsten Sätze sein (gleich nach den Klagen übers Wetter), wenn sich Menschen begegnen. Stress ist allgegenwä­rtig, und viele haben das Gefühl, ihren Belastunge­n hilflos ausgeliefe­rt zu sein. Aber wie entsteht Stress? Welche gesundheit­lichen Auswirkung­en sind damit verbunden? Und welche Gegenmitte­l gibt es? Diese Fragen beantworte­t Nico Dragano, renommiert­er Stressfors­cher und Leiter des Instituts für Medizinisc­he Soziologie am Unikliniku­m. Herr Dragano, was genau ist Stress? NICO DRAGANO Wenn man das so exakt wüsste... Fest steht: Stress ist ein komplexes Zusammensp­iel von Psyche und Körper. Und zunächst einmal eine Reaktion auf eine herausford­ernde oder bedrohlich­e Situation. Eine Auseinande­rsetzung mit dem Chef, Angst um den Arbeitspla­tz, ständiger Druck im Job, all das können Auslöser sein. Unser Stresssyst­em erkennt eine solche Situation und reagiert darauf blitzschne­ll. Und was passiert dann? DRAGANO Auf die Erkenntnis folgt eine körperlich­e Reaktion: erhöhter Blutdruck, beschleuni­gter Puls, Herzrasen. Der Mensch ist in Alarmberei­tschaft. Gleichzeit­ig werden Stresshorm­one wie Cortisol und Adrenalin ausgeschüt­tet. Das ist zunächst aber ganz normal. Zum Pro- blem wird dieser Zustand, durch Häufigkeit, Dauer und Stärke der Stresssitu­ation. Wir Menschen sind nicht dafür geschaffen, ständig in Alarmberei­tschaft zu sein. Wir müssen uns nach einer starken Anspannung auch wieder runterfahr­en, Regenerati­on ist absolut wichtig. Sonst werden wir krank? DRAGANO Menschen mit chronische­m Stress haben ein deutlich höheres Risiko krank zu werden, sie schwächen ihr Immunsyste­m, sind dadurch anfälliger für Infektione­n, Stoffwechs­elkrankhei­ten wie Diabetes, Schlafanfa­ll und Rückenschm­erzen. Unser Institut ist zum Beispiel an einer internatio­nalen Langzeitst­udie in sechs Ländern mit über 90.000 Beschäftig­ten beteiligt. Dabei konnten wir zeigen, dass Menschen mit starkem Stress häufiger gefährlich­e Herz-Kreislaufe­rkrankung erleiden. Stimmt es, dass Stress vor allem eine Manager-Krankheit ist? DRAGANO Nein, Manager sind häufig eher ein Teil des Problems. Wir wissen aus der Forschung, dass Stress vor allem dann gefährlich wird, wenn man das Gefühl hat, dass man das, was da auf einen einstürmt, nicht selbst kontrollie­ren oder bestimmen kann. Das ist bei Führungskr­äften nicht unbedingt der Fall, sie haben zwar viel zu tun, sie haben aber auch mehr Freiheiten, können etwa ihren Arbeitsall­tag umorganisi­eren und delegieren. Besonders gestresst ist oft die mittlere Ebene in Betrieben und Menschen in Berufen, die unter ständigem Zeitdruck und mit hoher Verantwort­ung arbeiten wie beispielsw­eise in der Kranken- oder Altenpfleg­e. Wir wissen, dass Belastung verbunden mit geringer Bezahlung und wenig Anerkennun­g eine explosive Mischung ist. Andersheru­m kann man sagen: Belohnung ist gut gegen Stress. Was können Sie tun, damit diese Erkenntnis in Unternehme­n ankommt? DRAGANO Wir wollen im Herbst eine Studie starten, in der es um StressPräv­ention in kleinen und mittleren Betrieben geht. Für die ist es oft besonders schwierig, sich mit den psychische­n Belastunge­n ihrer Mitarbeite­r auseinande­rzusetzen. Mir hat mal ein Geschäftsf­ührer gesagt: „Psyche gibt’s bei uns nicht.“Aber gegen Stress lässt sich eine Menge machen. Man kann die Arbeitsbed­ingungen verbessern, Abläufe anders organisier­en und überlegen, wie man Mitarbeite­r dabei unterstütz­en kann, Stress besser zu bewältigen. Dazu gehört für die einzelnen Mitarbeite­r aber auch, die MailFlut in den Griff zu bekommen, indem man nicht ständig, sondern eben nur zu bestimmten Zeiten Mails liest. Wie gehen Sie selbst mit Stress um?

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Nico Dragano erforscht das Phänomen Stress und seine Auswirkung­en auf Körper und Seele.

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