May kommt nur langsam mit Regierungsbildung voran
Die nordirische Chefin der Democratic Unionist Party (DUP) kann mit ihren zehn Unterhausmandaten zur Mehrheitsbeschafferin der britischen Konservativen werden. Ein riskantes Spiel.
LONDON (rtr) Die britische Premierministerin Theresa May ist mit dem Versuch gescheitert, rasch eine Minderheitsregierung zu bilden und sich damit nach dem Wahldebakel wieder Luft zu verschaffen. Nachdem ihr Büro am Samstagabend bereits eine Grundsatzeinigung mit der nordirischen Unionistenpartei DUP verkündete, dementierte diese nur Stunden später und sprach nur von positiven Gesprächen. Die Verhandlungen über die Tolerierung einer May-Regierung sollten in der neuen Woche fortgesetzt werden.
May wurde selbst in den eigenen Reihen nur noch als Übergangslösung beschrieben, um Stabilität vor den Brexit-Verhandlungen sicherzustellen. Ex-Finanzminister George Osborne, einer ihrer schärfsten in- nerparteilichen Rivalen, erklärte sie für politisch so gut wie tot. Zwei der engsten Mitarbeiter Mays mussten unter dem Druck aus der Partei zurücktreten.
Die Regierungschefin wollte sich mit der Wahl Rückendeckung für die Brexit-Verhandlungen holen. Stattdessen verloren ihre Konservativen die absolute Mehrheit: Ihnen fehlen acht Stimmen, die Democratic Unionist Party (DUP) verfügt über zehn Mandate. Die geplante Zusammenarbeit stößt bei vielen von Mays Parteifreunden auf Skepsis, da die Nordiren etwa bei Abtreibung und Homo-Ehe erzkonservative Positionen vertreten. Die Verhandlungen finden unter Zeitdruck statt, da am 19. Juni die BrexitGespräche beginnen sollen.
DÜSSELDORF Großbritanniens Regierungschefin Theresa May hat keine Wahl. Um nach der vorgezogenen Neuwahl noch politisch handlungsfähig zu sein, braucht sie nach dem Verlust der absoluten Mehrheit im Unterhaus einen willigen Mehrheitsbeschaffer. Das wird wohl die Juristin Arlene Foster sein, die Mitte Dezember 2015 in Nordirland zur Vorsitzenden der Democratic Unionist Party (DUP) gewählt worden war. Anfang 2016 wurde sie gar Regierungschefin der nordirischen Regionalregierung. Nun ist sie mit ihren zehn Mandaten zur „Königsmacherin“aufgestiegen. Versagt sie sich einer Mitregentschaft kann Theresa May nur in einer Minderheitsregierung ihrer Konservativen ihr Heil versuchen. Dann kann sie den für den 19. Juni angesetzten Start der Brexit-Verhandlungen mit Brüssel schon jetzt abhaken, dann stehen die Konservativen parteiintern vor gnadenlosen Machtkämpfen.
Theresa May wird mit Arlene Foster (46) keinen Koalitionsvertrag ausarbeiten. Es wird mündliche Absprachen und die Einigung auf einige Sachpunkte geben. May wird dabei Kompromisse eingehen müssen, das wird ihren Stand in der eigenen Partei weiter schwächen.
Die protestantische DUP ist auch keine Partei, die man sich als Regierungspartei unbedingt wünscht. Die Unionisten wollen zwar auch den Austritt Großbritanniens aus der EU, sie wollen aber im Binnenmarkt bleiben und die Grenze zur katholischen Republik Irland im Süden offenhalten. Ein harter Brexit, den Theresa May nie ausgeschlossen hatte, würde eine EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland schaffen. Die Nordiren fürchten dann um problemlose gegenseitige Besuchsmöglichkeiten und wirtschaftliche Nachteile. Die Partei lehnt die Homo-Ehe ab, sie ist gegen eine Lockerung der Abtreibungsgesetze, Teile der Partei glauben nicht an einen vom Menschen maßgeblich verursachten Klimawandel und diskutieren die Todesstrafe.
Die Partei wurde 1971 vom Hardliner Ian Paisley gegründet. Der protestantische Pfarrer war bis 2008 ihr Vorsitzender. Der Mann der Kirche setzte sich gegen eine Gleichberechtigung der katholischen Mitbürger Nordirlands ein. Paisley gehörte seit 1979 für 25 Jahre dem Europaparlament an. Legendär sein Auftritt dort beim Papstbesuch 1988. Als Johannes Paul II. vor den Parlamentariern eine Rede hielt, stand Paisley plötzlich auf und schrie: „Antichrist, ich verurteile dich und deine verkehrte Lehre.“Paisley wurde umgehend aus dem Saal gewiesen.
Das Leben der dreifachen Mutter Arlene Foster ist von den Erfahrungen des Terrors zwischen den katholischen und protestantischen Nordiren geprägt. Ihr Vater war Polizist und wurde bei einem Attentat der IRA durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt. Als 18-Jährige überlebte Foster einen IRA-Anschlag auf den Schulbus. Der augenblickliche Frieden zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland bleibt zerbrechlich.