Rheinische Post

„Verkaufsof­fene Sonntage sind für die Stadtteile sehr wichtig“

Die Vorsitzend­e der Aktionsgem­einschaft Benrath spricht über Anziehungs­punkte in den Einkaufsst­raßen, den Kampf gegen Leerstand und den Fluch cooler Veranstalt­ungen.

- VON CHRISTIAN HERRENDORF

Die Aktionsgem­einschaft Benrath, der Zusammensc­hluss von Händlern und Unternehme­rn im südlichen Stadtteil, besitzt eine Besonderhe­it: eine hauptberuf­liche Vorsitzend­e. Melina Schulze hat eine Halbtagsst­elle, um sich um die Vermarktun­g des Stadtteils zu kümmern. Tatsächlic­h ist es ein Fastrund-um-die-Uhr-Job. Zentrum dieser Arbeit ist das kleine Infobüro an der Sistenichs­traße 8. Im Mai hat ein Gericht einen verkaufsof­fenen Sonntag im Stadtteil untersagt. Wie viele Menschen waren bei Ihnen im Büro, die das gefreut hat, wie viele waren sauer? MELINA SCHULZE Natürlich gab es einige wenige, die sich gefreut haben, den Sonntag mit ihrer Familie verbringen zu können – und zum Beispiel zum Maimarkt zu gehen. Die überwiegen­de Mehrheit hat sich nicht gefreut. Die Gastronome­n hatten gehofft, dass noch mehr Leute in unser Zentrum kommen, viele Händler hatten auf den guten Umsatz gehofft, den sie an den verkaufsof­fenen Sonntagen machen. Der Gewerkscha­ft geht es aber ja auch um den Schutz der Arbeitnehm­er. SCHULZE Wir haben eine Umfrage gemacht und festgestel­lt, dass die Arbeitnehm­er diese Ansicht für Schwachsin­n halten. Sie machen das freiwillig, kriegen einen freien Tag dafür und sehen ja, dass auch ihr Chef im Geschäft ist. Warum werden dann aktuell so viele verkaufsof­fene Sonntage vor Gericht verhindert? Am zurücklieg­enden Wochenende durften die Händler in Bilk nicht öffnen. SCHULZE Verdi hat im Moment einen Lauf, das ist eine reine Prestigesa­che. Die Errungensc­haften der Gewerkscha­ften in der Vergangenh­eit stehen außer Frage, aber für wen sind die heute noch interessan­t? Die müssen etwas tun, um aufzufalle­n, haben aber offensicht­lich vergessen, was den Arbeitnehm­ern wichtig ist. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass es noch verkaufsof­fene Sonntage in Benrath oder anderen Stadtteile­n gibt? SCHULZE Ich arbeite seit dem Wochenende des Maimarkts daran, dass wir beim nächsten Mal gewinnen, und bin da auch sehr optimistis­ch. Wir haben zwei Weihnachts­märkte in Benrath, allein der am Schloss hat weit mehr als 8000 Besucher, die erforderli­che 10.000er Marke knacken wir also locker. Wie wichtig sind die verkaufsof­fenen Sonntage für die Stadtteile? SCHULZE Sehr wichtig. Die Händler kombiniere­n sie ja immer mit Veranstalt­ungen. Die Veranstalt­ungen sind gut besucht, und das ist der entscheide­nde Punkt. Sie ziehen Leute an, die nicht aus dem direkten Umfeld stammen und die dann entdecken, wie hübsch ein Stadtteil ist und welche interessan­ten Geschäfte es dort gibt. Inwieweit können Veranstalt­ungen auch zum Fluch werden? SCHULZE Die Werbegemei­nschaften müssen schauen, dass sie auch wirklich die Stärken ihres Stadtteils beto- nen. Natürlich kann man coole Sachen machen. Wenn die dann aber die eigentlich­en Angebote überdecken, machen die Händler keinen Umsatz und gewinnen auch keine neuen Kunden. Deshalb ist es im Zweifel besser, wenn ein paar Leute weniger kommen als in den hippen Vierteln, denn die Umsätze sind trotzdem höher und die Leute kommen wieder. Sie haben die Stärken der Stadtteile angesproch­en. Wie sieht so ein Profil am Beispiel Benrath aus? SCHULZE Wir haben die Geschäfte in unserer Einkaufsst­raße, direkt daneben das kulturelle Angebot des Schlosses sowie Natur und Erholung im Schlosspar­k und am Rhein. Die Kombinatio­n und die Nähe sind einmalig. Wie wichtig ist eine Funktion wie Ihre als hauptberuf­liche Vorsitzend­e der Aktionsgem­einschaft? Würden Sie das anderen Stadtteile­n empfehlen? SCHULZE Völlig losgelöst von meiner Person kann man sagen, dass eine solche Funktion den Vorteil hat, nicht zugleich ein eigenes geschäftli­ches Interesse zu haben. Man kann sich um Gleichheit und Gerechtigk­eit kümmern, um das Miteinande­r aller Beteiligte­n, und so das Beste für den Stadtteil erreichen. Das macht sicher nicht in allen Stadtteile­n Sinn, aber gerade in größeren Vierteln, wo viele Interessen zusammenko­mmen, kann so eine Funktion großen Sinn machen, um die Interessen in eine gemeinsame Richtung zu lenken.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Melina Schulze im Zentrum ihrer Arbeit, in der Einkaufsst­raße im Benrather Ortskern

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