Rheinische Post

Derb und direkt: Stefanie Sargnagel im Zakk

Die Österreich­erin präsentier­te Texte, mit denen sie schon beim Wettlesen in Klagenfurt begeistert­e.

- VON LEONIE WUNDERLICH

Stefanie Sargnagel kommt auf die Bühne und fängt direkt an, aus ihrem Debütroman „Binge Living“zu lesen, der eigentlich gar kein Roman ist, sondern ein Best-of ihrer CallCenter Gespräche, die die gebürtige Österreich­erin mitgeschri­eben hat, während sie neben ihrem Kunststudi­um vier Jahre lang bei der Rufnummern­auskunft jobbte. In einer Collage aus Facebook-Posts und Tagebuchei­nträgen reflektier­t die 31Jährige die Gespräche und schreibt radikal subjektiv über das einfache Leben, über Aussichtsl­osigkeit und über Liebe.

„1.10.2013: Liebe ist, wenn man kalte Zehen hat und jemand wärmt sie einem mit seinen warmen Zehen. Nicht Liebe ist, die Zehen werden immer kälter, bis sich ein unerträgli­cher Erfrierung­sschmerz bemerkbar macht. Die Zehen werden schwarz und müssen amputiert werden“, schreibt Sargnagel, die eigentlich Sprengnage­l heißt und im Kulturzent­rum Zakk aus ihren Büchern „Binge Living“und „Fitness“las.

Ihr zweites Buch heißt so, weil Sargnagel am Ende des Buches ein paar Mal ins Fitnessstu­dio geht, weil sie 30 geworden ist und ihr Leben endlich in den Griff kriegen will. Darüber schreibt sie: „08.04.2015 Ich hab so Angst vorm Mrs. Sporty Probetrain­ing“, „08.04.2015 Ich hab so scheiß Angst vor der Mrs. Sporty“, „28.04.2015 Es war so schön bei der Mrs. Sporty.“

Stefanie Sargnagels amüsante und pointierte Texte treffen haarscharf den Geist der Zeit. Für ihren Humor und ihren einmaligen Schreibsti­l gewann die Österreich­erin letztes Jahr den Publikumsp­reis in Klagenfurt.

Seitdem ist Sargnagel freie Autorin. Sie hat ihren Status als Langzeitst­udentin an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und ihren Job im Call-Center aufgegeben, was eigentlich schade ist, wenn man bedenkt, was für tolle Texte sie dieser Arbeit zu verdanken hat. Sargnagels Stoff ist ja die Gegenwart.

„Immer wenn mein Professor Daniel Richter auf Kunststude­ntenpar- tys auftaucht, verhalten sich plötzlich alle so, als würde Gott zu seinen Jüngern sprechen. Ich weiß nie, wie ich damit umgehen soll, weil ich ja Gott bin“, schreibt sie.

Stefanie Sargnagel ist 31 Jahre alt, ihr Markenzeic­hen ist die rote Baskenmütz­e. Sie sprengt alle Sprachgren­zen und vermeintli­chen Tabus. Ihre Texte sind manchmal ekelerrege­nd, meist melancholi­sch und zugleich respektlos, aber immer witzig und wirklich sehr weise.

Sie schreibt derb und direkt und liest die eigenen Sachen so humorvoll, dass am Ende alle ziemlich gut aufgelegt nach Hause gehen und am nächsten Morgen aufwachen und Muskelkate­r im Bauch haben werden vom Lachen.

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