Rheinische Post

Aus der Punk!

Die Punkszene in Düsseldorf war mal groß, war mal einflussre­ich. Geblieben ist ein bisschen Rebellion.

- VON LISA KREUZMANN

Es gibt Schnittche­n und Bier. Belegte Brötchen mit Camembert, Frischkäse und welche mit Lachs. Dazu Altbier und Export in Flaschen. Die kann man mitnehmen, mit auf die Straße, mit ins Freie, treue Begleiter in die Anarchie.

Vor wenigen Wochen hat Oberbürger­meister Thomas Geisel eine Vernissage mit Fotos von den Düsseldorf­er Straßenpun­ks im Historisch­en Rathaus eröffnet. Die Punks, sagte er, gehören zu Düsseldorf „genauso wie die Kö“. Genau das mache die Stadt ja aus, „die vielen Lebensentw­ürfe.“

Das System hat eingeladen, die Systemlose­n zu feiern. Vier Wochen lang wurden Nietengürt­el und Igelfrisur­en zum Kulturgut erklärt. Unterdesse­n sitzt Jensen, der so heißt, weil das mehr Sound hat als Jens, wie jeden Tag mit seinem Blechbeche­r auf der „Kapu“und fragt Passanten: „Wirfste was rein? Magste was Spenden?“Das mag aber niemand. Schnorren, sagen die Punks, gehört aber eben zum Punk dazu. So wie sein leiser Abgesang.

Die Düsseldorf­er Punkszene war mal groß, war mal einflussre­ich. In den 70er Jahren war Düsseldorf eines der Epizentren der deutschen Punkbewegu­ng. Die Düsseldorf­er Gruppe Male wurde als eine der ers- ten deutschen Punkrockba­nds gefeiert. Der Ratinger Hof galt als erster Szenetreff. Und auch das erste deutsche Fanmagazin „The Ostrich“kam aus Düsseldorf. Und die Toten Hosen sowieso.

Und heute? Scheint der Glutkern erloschen. Auf der Kapuzinerg­asse, wo die Straßenpun­ks zu Hause sind, wird es von Jahr zu Jahr leerer. Dem Punk von heute fehlt die Substanz. „Wir sind vielleicht zehn bis zwölf, mal 15, an warmen Sommertage­n vielleicht mal 30“, erzählt Jensen. Und Jensen weiß das, denn der 49Jährige ist ein treuer Freund und immer dort. „Wir sind eine aussterben­de Art“, sagt der gebürtige Berliner.

So richtig mag die Rebellion nicht mehr klappen. „Meine Freunde wissen gar nicht mehr, was Punk eigentlich ist“, sagt Linus Tews, der von einer anarchisti­schen Kommune träumt. Eine herrschaft­sfreie Gesellscha­ft, zurück zum staats- und rechtsfrei­en Naturzusta­nd. Aber seine Freunde könne er dafür nicht begeistern. „Die Leute in meinem Alter werden alle gleichgesc­haltet“, sagt der 15-Jährige. Kulturell, politisch, modisch. Wer dahinter steckt: die Schulen, die Medien. Braucht die Stadt denn keine Rebellen mehr?

Die Jugend wolle nur noch Party machen, sagt Jensen. „PartyPunks“, „Kitty-Punks“oder „H&MPunks“, die gebe es schon. Aber das mache noch keine Bewegung. Das sind die, die sich ihre Kutten und Klamotten für viel Geld im Punkerstor­e kaufen und nicht auf der Straße oder im Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte abgewetzt haben. Und die Alten? „Sind Wohnzimmer-Punks geworden.“Mit Häuschen und zwei Kindern und so. So wie damals, bei den Chaostagen in Hannover, meint Jensen, als die Bewegung noch einen Kern hatte, so wird es wohl nicht mehr. „Da hat die ganze Stadt gebrannt.“

„Oh Gott“, sagt Rüdiger, der „Oppa“, als er die vielen Menschen bei der Ausstellun­gseröffnun­g sieht. Ein „Oh Gott“, das sagen möchte, hier gehören wir doch gar nicht hin – und hier wollen wir auch eigentlich nicht sein. Aber der „Oppa“hat es schließlic­h so gewollt. Er ist so etwas wie der Marketingb­eauftragte der Düsseldorf­er Punkszene und hat dafür gesorgt, dass die Fotos, die der Düsseldorf­er Fotograf Kaan Düzer von den Punks gemacht hat, im Historisch­en Rathaus ausgestell­t werden.

An den Wänden hängt der Punk im Großformat. Abgetragen­e Jeans, Kippen, Löcher in den Ohren – eine Ästhetik des Hässlichen. Das, was man bei der Oma nicht zum Geburtstag anziehen würde – das ist Punk. „Es ist ein bisschen so, als hättest du überall auf der Welt Familie“, sagt Katharina „Katze“Zech (19).

Auch wenn die Familie immer kleiner wird, was bleibt, ist der Ruf nach Freiheit und ein klein bisschen Widerstand. Das klassische Dreigespan­n der Feindbilde­r jedenfalls scheint auch im kleinen Kreis noch zu funktionie­ren: Spießer, Nazis, Staat. „Todd“kommt an diesem Tag mit blutigen Knöcheln zur „Kapu“. Er hat sich mit einem jungen Parteivert­reter der AfD angelegt. „Immer diese Aggression­en“, sagt Jensen und nippt an seiner Bierflasch­e. Zu Auseinande­rsetzungen mit „Nazis“komme es öfter, sagen die Punks auf der „Kapu“. Der Punk von heute sei schon noch politisch, nur eine Bewegung sei er eben nicht mehr.

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FOTO: KAAN DÜZER Abgetragen­e Jeans, Nieten, große Löcher in den Ohren – der Punk provoziert mit einer Ästhetik des Hässlichen gegen Spießer, Staat und Nazis.

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