Fifa will Fußball-Regeln radikal ändern
DÜSSELDORF Der große Sepp Herberger war ein Meister darin, große Worte gelassen auszusprechen. So verkündete er einst: „Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten.“Geht es nach dem Weltverband Fifa, würde das Herberger-Zitat nur noch ein antiquarisches Relikt sein. Denn die Regelhüter des International Football Association Board (IFAB) haben im Auftrag der Fifa Vorschläge für eine umfassende Regelreform unterbreitet, die das Spiel radikal verändern würden. Ein Spiel, so steht es in einem Strategiepapier der IFAB, würde dann nur noch exakt 60 Minuten dauern – zwei Halbzeiten je 30 Minuten, bei jeder Unterbrechung wird die Uhr schehen. Laut IFAB würden in diesen Phasen „die Spieler am wahrscheinlichsten auf Zeit spielen“.
Alternativ zu dieser Methode steht die Verkürzung der Spielzeit auf zweimal 30 Minuten und das Anhalten der Spieluhr während der gesamten Partie. Der Vorteil dieser vom IFAB als „radikale Veränderung“bezeichneten Lösung: Jedem Verein stünde in jedem Wettbewerb und in jedem Spiel die gleiche effektive Spielzeit zur Verfügung. Radikal ist dieser Vorstoß nur bedingt – denn schon jetzt beträgt die NettoSpielzeit nach einer Untersuchung des Fachmagazins „Kicker“nur etwas mehr als 56 Minuten.
Innerhalb der Fifa weiß man um die Brisanz hinter den Vorschlägen der Gralshüter der Regeln. Der Vorstoß der IFAB ist bewusst gewählt, um auzutesten, zu wie viel Veränderung der Fußball aktuell bereit ist. „Die Rückmeldungen aller Beteiligten in der Fußball-Gemeinschaft sind bislang sehr positiv“, verkündet David Elleray, Direktor bei der IFAB und früher Schiedsrichter in der englischen Premier League. Alle seien sich einig, dass die Verbesserung der Rahmenbedingungen „die absolute Priorität besitzt“.
Marco van Basten, bei der Fifa Technischer Direktor, ist jedenfalls begeistert. „Die Zuschauer wollen Fußball sehen – und nicht darauf warten. Am Ende sollen alle Spiele mehr oder weniger die gleiche Netto-Spielzeit haben“, findet der eins- tige niederländische Weltklassestürmer. „Die großen Änderungen, die Nettospielzeit auf 60 Minuten auszudehnen in etwa, entspricht aus meiner Sicht nicht dem Geist der Regeln“, sagt Taktik-Experte Tobias Escher, Gründer des Portals „Spielverlagerung“. „Doch viele der kleineren Änderungen scheinen mir sehr sinnvoll. Damit würde die Fifa das aus meiner Sicht größte Problem angehen, das der Fußball heutzutage hat: Zeitspiel.“
Beim Confed-Cup in Russland wird aktuell ein radikaler Einschnitt in das Spiel geprobt: Erstmals bei einem großen internationalen Turnier wird der Videobeweis eingesetzt. Es wird nicht die letzte Regeländerung bleiben.