FDP-Mitglieder stimmen Koalitionsvertrag zu
Der SPD-Fraktionsvorsitzende in NRW über die neue Landesregierung, die AfD und eigene Fehler.
DÜSSELDORF (tor) Bei einer Online-Abstimmung unter den Mitgliedern der NRW-FDP haben 97,2 Prozent der Teilnehmer für den mit der CDU ausgehandelten Koalitionsvertrag votiert. Das gab der Generalsekretär der NRW-FDP, Johannes Vogel, bekannt. Allerdings hatten sich nur rund 40 Prozent der knapp 15.500 Mitglieder beteiligt. Die NRW-CDU lässt heute einen Parteitag über den Vertrag abstimmen. Auch dort wird nicht mit einer Ablehnung gerechnet. Armin Laschet (CDU) soll am Dienstag vom Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt werden.
DÜSSELDORF Norbert Römer kommt gerade vom Ältestenrat, in dem seit Neuestem auch die AfD sitzt. Nichts ist noch im Landtag, wie es vorher war. Der 70-Jährige allerdings hat sich nach einem internen Machtkampf erneut zum SPD-Fraktionschef in NRW wählen lassen. Herr Römer, warum sind Sie unverzichtbar? RÖMER Das bin ich selbstverständlich nicht. Nach überwiegender Meinung in der Fraktion bin ich aber der Richtige, der den Übergang in die Opposition gestalten soll. Ein Drittel der Fraktion hat gegen Sie gestimmt – kein gutes Ergebnis... RÖMER Zwei Drittel waren der Meinung, dass ich der Richtige bin. Nach der Wahlniederlage kommt es jetzt darauf an, dass ich meine Erfahrung mit einbringe. Bekommt der voraussichtliche Ministerpräsident Armin Laschet bei der Wahl am kommenden Dienstag auch Stimmen der SPD-Fraktion? RÖMER Nein, das schließe ich aus. Wie gehen Sie damit um, wenn die AfD im Landtag künftig auch SPDAnträge unterstützt? RÖMER Wir machen unsere Parlamentsarbeit nicht von der AfD abhängig. Die SPD steht für Weltoffenheit, die AfD für Nationalismus. Es gibt keine Gemeinsamkeiten mit dieser Partei. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag liegt auf dem Tisch. Wo sehen Sie die zentralen Schwachstellen? RÖMER Dieses Papier ist weder ein Arbeitsprogramm noch ein politischer Vertrag. Das ist ein politischer Comic mit vielen Sprechblasen. Wichtige Fragen werden nicht gelöst, zuvorderst die Finanzierungsfragen. Die Vereinbarung dieser Zufallskoalition lässt nur einen Schluss zu: Schwarz-Gelb ist auf das Regieren nicht vorbereitet. Welche Fragen vermissen Sie noch? RÖMER Wir müssen CDU und FDP daran messen, was sie versprochen haben: Kinderarmut und Arbeitslosigkeit senken. Zwei bis drei Milliarden Euro einsparen und gleichzeitig investieren. Sie hatten versprochen, die Grunderwerbsteuer zu senken und die Staus zu reduzieren – davon will Schwarz-Gelb schon jetzt nichts mehr wissen. Stattdessen machen sie beim Baustellen-Management dasselbe wie wir, und die Grunderwerbsteuer wird eingefroren. Schwarz-Gelb ist von den eigenen Wahlversprechen überfordert. Das wird eine Versprochen-gebrochenKoalition. Muss es angesichts der Haushaltslage ein Sparpaket geben? RÖMER Nein, aber jahrelang haben uns CDU und FDP mit Kritik bombardiert – und jetzt präsentieren sie selbst keinen einzigen Sparvorschlag. Woran lag es, dass die SPD in NRW ihr schlechtestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte erzielte? RÖMER Wir sind einfach nicht durchgedrungen mit unserem NRW-Plan. Ganz offensichtlich haben uns zu wenige Menschen noch politische Gestaltungskraft zugetraut. Hat Hannelore Kraft Fehler gemacht? RÖMER Die Partei hat großen Respekt vor ihrer Entscheidung, sofort zurückzutreten. Wir haben sieben gute Regierungsjahre erlebt. Sie war das Gesicht der Partei in NRW und eine große Ministerpräsidentin. Im Wahlkampf allerdings hat sich die SPD erstaunlich wenig um ihre Stammwähler gekümmert. Als es Proteste von Stahlarbeitern gegen eine mögliche Fusion mit Tata Steel gab, war Hannelore Kraft nicht da… RÖMER Die Landesregierung war mit Wirtschaftsminister Garrelt Duin sofort vor Ort, Hannelore Kraft hat viele Gespräche geführt. Auch jetzt reden wir mit Betriebsräten, Vorstand und IG Metall. Unsere Position ist ganz klar: Die Verantwortung für den Stahl gehört weiterhin nach NRW. Thyssenkrupp Steel muss Bestandteil des Konzerns bleiben. Es herrscht große Unruhe in der Belegschaft, daher kommt es jetzt darauf an, Sicherheit zu schaffen. Ich sage ganz klar: Es muss nicht zu der Fusion kommen. Welche Lehren ziehen Sie aus der Wahlniederlage für den Bundestagswahlkampf? RÖMER Wir müssen vier bis fünf klare Botschaften senden, die die Menschen verstehen. „Mit uns sinken die Renten nicht“kann zum Beispiel eine solche Botschaft sein. Ist eine rot-rot-grüne Koalition im Bund denkbar? RÖMER Die Linken sind aus meiner Sicht nicht regierungsfähig, zum Beispiel wegen der Europapolitik, aber auch wegen der Haltung des immer noch starken WagenknechtFlügels auch zur Nato.