Deutsche Bahn wird Ökostromanbieter
Der Staatskonzern verkauft jetzt über eine Online-Plattform Strom aus Wind-, Wasser- und Solarkraft an Privatkunden. Die Energie erzeugt die Bahn nicht selbst, sondern kauft sie zu.
DÜSSELDORF Der größte Energieverbraucher in Deutschland ist die Deutsche Bahn. 20.000 elektrische Züge rollen Tag für Tag durch die Republik. Zusammen mit anderen Eisenbahnunternehmen summierte sich das im vergangenen Jahr auf 10.000 Gigawattstunden – in etwa so viel Strom, wie die Großstadt Berlin im Jahr verbraucht. Um nicht zu abhängig von schwankenden Strompreisen zu sein, produziert die Bahn eigene Energie. Sie ist der fünftgrößte Energiekonzern des Landes.
Gestern kündigte der Konzern an, künftig auch Privathaushalte mit Energie beliefern zu wollen. Dabei solle es sich ausschließlich um Ökostrom handeln, gewonnen aus Wind-, Wasser- und Solarkraft. Den Strom wird die Bahn im Übrigen nicht selbst erzeugen. Das wäre technisch auch extrem herausfordernd, da die Züge mit einer anderen Spannung versorgt werden als der Privatkunde sie benötigt. Deshalb kauft die Bahn den Ökostrom bei Drittanbietern zu.
Wechselwillige Kunden finden das Angebot der Bahn auf der Website www.dbstrom.de. Für den Energieverbrauch einer vierköpfigen Familie im Kreis Mettmann (4500 Kilowattstunden) zahlt der Kunde bei einer 24-monatigen Vertragslaufzeit 105 Euro im Monat (zusammengesetzt aus einem Grundpreis von 11,84 Euro im Monat und 24,91 Cent pro Kilowattstunde). Beim Strompreis-Vergleichsportal Verivox ist der günstigste Ökostromanbieter für dieselbe Region Sauber Energie. Deren günstigstes Angebot liegt bei 93,27 Euro im Monat (monatlicher Grundpreis 7,14 Euro plus 22,97 Cent pro Kilowattstunde).
Bei der Bahn kann der Kunden neben der auch bei anderen Anbietern gängigen Wechsel-Prämie (bei DB Strom beträgt sie 135 Euro) auch andere Formen der Vergünstigung wählen. So ist es beispielsweise möglich, Bahn-Bonuspunkte zu sammeln. 5000 bekommt der Kunde, wenn er sich für den zweijährigen Vertrag entscheidet. Dafür kann er beispielsweise einen Akkuschrauber oder ein Baby-Reisebett im Shop erstehen. Alternativ gibt es die Bahncard 25 in der 1. Klasse für ein Jahr (125 Euro) oder einen Reisegutschein für 150 Euro.
Die Frage ist, ob sich das Angebot durchsetzt. Schließlich bekommen die Kunden bei anderen Anbietern deutlich höhere Wechselprämien und zahlen zugleich deutlich weni- ger im Monat. „Wir werden keine Kampfpreise machen, wir kaufen uns keine Marktanteile. Aber unsere Produkte werden immer günstiger sein als der Standardtarif des Grundversorgers“, sagte DB-Energie-Chef Hans-Jürgen Witschke der „Welt“. Die Bahn hofft darauf, aus ihren Kundendaten Profit zu schlagen. 70 Prozent der deutschen Haushalte beziehen immer noch ihre Energie zum deutlich teureren Tarif ihres Grundversorgers. Genau diese Men- schen will die Bahn erreichen und zum Umstieg bewegen. Bis zum Jahresende peilt der Konzern eine fünfstellige Kundenzahl an, in den kommenden drei bis fünf Jahren eine sechsstellige.
„Wir beherrschen die Strombeschaffung und die Prozesse dahinter, große Mengen Energie an die richtige Stelle zu bringen. Wer Bahn kann, kann auch Strom“, so Witschke. Ob das stimmt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.