Rheinische Post

Emanuel Buchmann ist die letzte Hoffnung seines deutschen Teams.

Sprintstar Peter Sagan ausgeschlo­ssen, Kapitän Rafal Majka ausgestieg­en – nun soll Emanuel Buchmann die Tour-Premiere des deutschen Teams Bora-hansgrohe retten.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Emanuel Buchmann sitzt am Abend des 15. März in einem Hinterzimm­er der Frankfurte­r Messehalle. Vor der Tür steigt die Standparty seines Teamsponso­rs hansgrohe auf der Sanitär- und Heizungssc­hau ISH, hinter der Tür sitzt Buchmann beim Interview mit unserer Redaktion. „Mitten im Rampenlich­t stehe ich nicht so gerne, das stimmt“, sagt der Ravensburg­er Radprofi. Er sagt es leise. Schüchtern. Seinem Naturell entspreche­nd. Ein Naturell, das er so profession­ell wie möglich kaschiert, als er kurz zuvor beim Promi-Smalltalk am Stand dabei ist.

Knapp vier Monate später geht die Tour de France in ihre zweite von drei Wochen. Und Buchmann steht genau da, wo er er nicht so gerne steht: im Rampenlich­t. Mehr noch, der 24-Jährige trägt die Last auf seinen Schultern, die Tour-Premiere des oberbayeri­schen Borahansgr­ohe-Teams zu retten. Die beginnt verheißung­svoll. Man hat im Polen Rafal Majka den besten Bergfahrer der Vorjahres-Tour als Kapitän dabei und in Weltmeiste­r Peter Sagan den schillernd­en Star seiner Sportart. Doch dann schließt die Rennjury Sagan nach einer Rangelei im Zielsprint bei Etappe vier vom Rennen aus, am vergangene­n Sonntag muss Majka nach einem Sturz aufgeben, und auch Sagans Bruder Juraj scheidet da aus, weil er außerhalb der erlaubten Zeit ins Ziel kommt. Was bleibt, ist Buchmann. 62 Kilo Hoffnung für ein Team, das noch aus sechs Fahrern besteht.

Majkas Aus sei „ein weiterer Rückschlag für uns hier an der Tour. Wir haben zwar mit Peter eine Etappe gewonnen, aber vom Glück sind wir sicherlich nicht verfolgt“, konstatier­t Sportdirek­tor Enrico Poitschke. Maja selbst teilt über die Momente nach seinem Sturz mit: „Wir haben Emanuel gleich wieder losgeschic­kt, um unsere Chancen in der Gesamtwert­ung zu retten.“Buchmann fährt nun auch offiziell als Teamkapitä­n. Das ist nur logisch. Er ist nun der beste Bergfahrer, der Mann, der am weitesten vorne steht im Gesamtklas­sement – auf Rang 18 nach der zehnten Etappe mit 8:46 Minuten Rückstand auf den Führenden und Tour-Favoriten Chris Froome.

Die Rolle des Retters ist eine neue für den 1,81-Meter-Mann. Die Rolle des Hoffnungst­rägers ist es dagegen nicht. Die hat er schon seit Längerem inne, denn während Marcel Kittel, André Greipel, John Degenkolb als Sprinter glänzen und Tony Martin zu den Weltbesten im Zeitfahren zählt, ist Buchmann der einzige Deutsche, der das Zeug zum Rundfahrer hat. 2016 beendet er die Tour auf Rang 21. Das weckt Hoffnungen und die Neugier der Öffentlich­keit auf Buchmann.

Am vergangene­n Samstag fährt Buchmann im größtmögli­chen Rampenlich­t, das die Tour zu bieten hat: im gelben Trikot – virtuell. Denn auf der Etappe nach Station des Rousses fährt er in einer Ausreißerg­ruppe einen so großen Vorsprung auf Froome heraus, dass er 100 Kilometer vor dem Ziel die Gesamtwert­ung anführte – virtuell. Bis zum Ziel hat sich alles aber wieder geändert. „Ich mache mir auch Hoffnungen, dass ich mal bei einer großen Rundfahrt vorne mitfahren kann“, sagt er, „aber ein Kandidat für den Tour-Sieg bin ich noch nicht.“Ein Kandidat für das weiße Trikot des besten Nachwuchsp­rofis ist er dagegen durchaus. Allerdings beträgt auch hier als Viertplatz­ierter sein Rückstand auf den Briten Simon Yates allerdings schon 6:44 Minuten.

Gelegenhei­t, sich noch weiter nach vorne zu schieben, gibt es für Buchmann ab morgen, wenn es hinauf in die Pyrenäen geht. Es ist ein Terrain, wie er es mag, aber eben auch eins, bei dem nach jedem Anstieg wieder eine halsbreche­rische Abfahrt wartet. Wie am Sonntag, als auch Majka stürzte. „Es ist eben das Risiko unserer Sporart, dass immer etwas passieren kann. Aber würde man zu viel darüber nachdenken, was würde es einem bringen?“, sagte Buchmann beim Interview im März. Als er noch nicht die letzte Hoffnung seines Teams ist.

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Emanuel Buchmann beim Start des Auftakt-Zeitfahren­s der Tour de France in Düsseldorf.

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