Rheinische Post

„Grand Départ hat Spaß gemacht“

Der Großeinsat­z beim Start der Tour der France wird aber nicht der Maßstab für andere Veranstalt­ungen in der Stadt sein, sagt Düsseldorf­s Polizeiprä­sident.

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Ein gutes halbes Jahr hat sich die Polizei auf den Einsatz beim Grand Départ vorbereite­t. Hat sich der Aufwand gelohnt? NORBERT WESSELER Tatsächlic­h fingen unsere Vorbereitu­ngen schon im vergangene­n Jahr an. Da waren Kollegen in Bern, um sich eine vergleichb­are Etappe der Tour de France dort anzuschaue­n. Die gründliche Vorbereitu­ng war sehr wichtig, und im Nachhinein kann man als Polizist auch durchaus stolz darauf sein, das alles so gestemmt zu haben. Im öffentlich­en Fokus stand vor allem die mögliche Terrorgefa­hr bei der Tour. Zu Recht? WESSELER Ich denke ja. Die Tour de France ist ein Weltsporte­reignis, der Start in Düsseldorf verknüpfte Frankreich und Deutschlan­d – ein Anschlag am ersten Tag der Tour in Düsseldorf hätte einem Terroriste­n einen weltweiten Hype garantiert. 3500 Beamte waren sichtbar im Einsatz, dazu noch mal etliche in Zivil oder im Hintergrun­d. Waren das zu viele? WESSELER Ich glaube nicht. Rückblicke­nd lässt sich so etwas immer leicht sagen. Aber bei allem, was wir vorher wussten, war unser Einsatz angemessen. Der neue NRW-Innenminis­ter hat dieser Tage von 211 bekannten sogenannte­n Gefährdern in NRW gesprochen. Wie viele musste die Düsseldorf­er Polizei denn während der Tour im Auge behalten? WESSELER Alle. Wir waren als Behörde federführe­nd für den Einsatz im ganzen Land, also für den Streckenve­rlauf durch ganz NRW – folglich waren wir auch für sämtliche Gefährder zuständig. Und die wurden alle beschattet? WESSELER Ein gutes Dutzend wurde tatsächlic­h überwacht, andere hatten Meldeaufla­gen. Wer entscheide­t so etwas? WESSELER Wir standen ja schon im Vorfeld auch mit unserem Verfassung­sschutz und Bundesbehö­rden in Verbindung, die wiederum internatio­nale Erkenntnis­se sammeln – ich will und werde da nicht ins Detail gehen, aber wir waren gut informiert. Das klingt nach einem immensen Aufwand vor allem für den Staatsschu­tz. WESSELER Das war es auch. Für die Überwachun­g des genannten Dutzends an den drei Tagen waren allein 400 Beamte im Einsatz. Die eigentlich­e Herausford­erung bestand aber darin, flexibel für ungeplante Aufgaben zu bleiben. Wie die am Tag der Präsentati­on, als die Spezialein­heit an der Rheinknieb­rücke Verdächtig­e gestoppt hat? WESSELER Zum Beispiel. Das war ein Fahrzeug, das ein unter Beobachtun­g stehender Mann steuerte, der stand. Was er und seine vier Mitfahrer, unter denen ein weiterer bekannter Gefährder aus Rostock war, genau vorhatten, wissen wir nicht. Wohl aber, dass sie definitiv in dem „roten Bereich“waren, in dem wir sie nicht haben wollten. Was ist aus den Männern geworden? WESSELER Sie hatten angegeben, zur Arbeit zu wollen – das haben wir nicht widerlegen können. Also blieb es bei dem Bereichbet­retungsver­bot ohne weitere juristisch­e Folgen – sie hatten ja keine Straftat begangen. Haben die französisc­hen Kollegen den Staatsschu­tz unterstütz­en können? Die sind ja in Sachen Terror leidgeprüf­t. WESSELER Tatsächlic­h lag deren Schwerpunk­t beim Grand Départ in Düsseldorf eher weniger auf TerrorAbwe­hr, sondern mehr auf der Streckensi­cherheit, also auf verkehrlic­hen Dingen. Sie sprachen gerade von einem „roten Bereich“. Was ist das? WESSELER Wir hatten sozusagen um den gesamten Streckenve­rlauf in NRW eine gedachte rote Linie gezogen, hinter der wir bestimmte Personen nicht haben wollten. Wir hatten immer Mobile und Spezialein­satzkomman­dos in der Nähe, um das notfalls durchzuset­zen. Auch das überwachte der Staatsschu­tz. Bloß gut, dass Sie die Abteilung kürzlich aufgestock­t haben. WESSELER Wir haben 14 zusätzlich­e Stellen für den Staatsschu­tz bekommen, das ist richtig. Leider wurden uns drei davon aber nach einer Neuberechn­ung des Ministeriu­ms wieder weggenomme­n. Das ist vor allem deshalb bedauerlic­h, weil die Arbeit des Polizeilic­hen Staatsschu­tzes für uns auch unabhängig von der Tour de France ein Schwerpunk­t ist. Ist das wirklich notwendig? WESSELER Es gibt viele Bezüge bekannter Terroriste­n nach Düsseldorf und in unsere Region. Denken Sie an den Attentäter von Manches- ter, der über Düsseldorf reiste, oder Anis Amri, der in Kleve lebte, bevor er den Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt verübte. Gerade verhandelt das Oberlandes­gericht über die Pläne zu einem auf unsere Altstadt geplanten Attentat, vor einigen Jahren gab es die so genannte Düsseldorf­er Zelle, die in Bilk konkrete Vorbereitu­ngen zu einem Anschlag traf. Wir müssen uns selbstvers­tändlich darauf einstellen, dass potenziell­e Attentäter auch hierher kommen. Heißt das, die rote Linie zieht der Staatsschu­tz künftig um jede Großverans­taltung? Gab es die auch bei der Kirmes? WESSELER Nichts gegen die Kirmes, aber das Gefährdung­spotenzial bei der Tour de France, das ich eben beschriebe­n habe, ist sicher um ein vielfaches höher als beim Schützenfe­st. Die Kirmes haben wir durch andere Maßnahmen gesichert. Lkw-Sperren, mit Maschinenp­istolen bewaffnete Polizisten – bleibt das künftig so? WESSELER Wir werden für jede Veranstalt­ung immer neu entscheide­n, was wie nötig ist. Und natürlich kann man auch über andere Lösungen nachdenken, etwa versenkbar­e Lkw-Sperren, die bei Bedarf hochgefahr­en werden können. Dann sieht das alles vielleicht auch nicht mehr so bedrohlich aus. Ich möchte aber auch ganz ehrlich sagen, dass ich mir schon wünsche, dass wir das alles auch mal wieder etwas zurückfahr­en können. Zurück zu Veranstalt­ungen ohne Sicherheit­skonzept? WESSELER Die Sicherheit­skonzepte sind ja nicht wegen terroristi­scher Bedrohunge­n zur Pflicht geworden, sondern durch das Unglück bei der Love Parade. Und sie sind seitdem immer besser geworden – wir lernen aus jedem Ereignis, und wir lernen sehr schnell. Beispiel Japantag: Da gab es 2016 Probleme, weil es einfach zu voll war. Daraufhin wurden die Wegführung­en verändert, und dieses Jahr funktionie­rte es dann wieder richtig gut. Das macht aber nicht die Polizei alleine. WESSELER Im Gegenteil. Verschiede­ne städtische Ämter, Feuerwehr, Rheinbahn – da sind viele mit im Boot. Und wir haben hier in Düsseldorf eine sehr gute Gesprächsk­ultur sowohl bei der Vor- als auch bei der Nachbereit­ung solcher Einsätze. Das garantiert, dass neu Gelerntes auch in die nächste Planung einfließt. Jetzt haben alle Tour de France gelernt – sollen wir die dann auch öfter machen? WESSELER Man muss nicht jedes Jahr jedes Ereignis der Welt in Düsseldorf haben. Aber dieser Einsatz war natürlich eine große Herausford­erung, die auch Spaß macht. Und der man sich durchaus ab und zu stellen kann.

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Ab und zu kann man sich einer Herausford­erung wie dem Grand Départ schon mal stellen, sagt der Polizeiprä­sident.

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