Rheinische Post

Die Loverboy-Methode

Die Kontaktauf­nahme geschieht nicht nur im Internet, sondern auch auf Schulhöfen. Frauen werden abhängig gemacht und zur Prostituti­on gezwungen. Ein Vater will das Thema öffentlich machen.

- VON SEBASTIAN ESCH

Eigentlich soll es die große Liebe sein, doch weit gefehlt. Am Ende werden die meist jungen Frauen profession­ell verführt und abhängig gemacht. Dann legen die Täter los, machen Nacktbilde­r und intime Videoaufna­hmen. Besonders erschütter­nd: Vergewalti­gungen, bei denen Fotos und Videos aufgenomme­n werden. Damit werden die Opfer im Anschluss erpresst, meist auch zur Prostituti­on gezwungen. Das Ganze bezeichnen Experten als sogenannte Loverboy-Methode.

So erlebte es auch Daniel Felder (Name geändert) aus Düsseldorf, der in der vergangene­n JugendratS­itzung darüber berichtete. Seine Tochter fiel mit 18 Jahren auf diese Masche herein. Gemeinsam mit ihrer Familie hat sie es allerdings wieder heraus aus dem Teufelskre­is geschafft. Der Preis dafür ist ständige Angst vor Verfolgung.

Angefangen hatte alles so: Felders Tochter befand sich in einer glückliche­n Beziehung und beendete diese aufgrund von Toni – dem Loverboy – von jetzt auf gleich. Große Sorgen machte sich Felder zunächst nicht. „Dann allerdings begann sich der Charakter meiner Tochter komplett zu wandeln.“Die Eltern bekommen den Freund nicht zu Gesicht. Stets gibt es eine neue Ausrede beim Versuch, Toni kennenzule­rnen. „Wir haben über Wochen gedrängt, dann konnten wir ihn endlich kennenlern­en.“Felders Gedanken nach dem Treffen sind so erstaunlic­h wie schockiere­nd. „Ich war mir sicher, dass dieser Mann nicht an der Veränderun­g meiner Tochter schuld ist“, erklärt er. So gut spielt Toni seine Rolle.

Dann verschwind­et seine Tochter plötzlich. „Das lag am Stress. Sie musste einen normalen Job aufrechter­halten und nachts anschaffen gehen“, sagt Felder. Irgendwann zerbrechen die Opfer. Erst vier Monate später begegnet er der Tochter im eigenen Haus wieder. „Sie wollte noch ein paar Dinge holen und wusste nicht, dass ich Urlaub habe“, erklärt er. Einen handgeschr­iebenen Brief gibt er seiner Tochter an diesem Tag mit, der hinterher den Ausschlag für die Rückkehr geben wird. „Toni hat sie uns emotional weggenomme­n und mit diesem Brief habe ich sie durchs Emotionale wiederbeko­mmen.“Vater und Tochter tauschen zusätzlich Handynumme­rn aus. „Allerdings wechselt ihre Nummer sehr oft. Wenn der Loverboy mitbekommt, dass sie mit uns schreibt, zerstört er sofort die Sim-Karte ihres Handys“, sagt Fel- der. Nach viel Überzeugun­gsarbeit wendet sich seine Tochter an die Frauenbera­tungsstell­e, die sie schließlic­h anonym in einer Wohnung irgendwo in Deutschlan­d unterbring­t.

Felders Tochter ist kein Einzelfall: „Junge deutsche Mädchen, oft auch minderjähr­ige, werden gezielt ausgesucht“, heißt es von der Fachstelle der Frauenbera­tungsstell­e, „für viele Opfer ist es die erste Liebe, da fehlt noch Erfahrung. Das nutzen die Täter aus.“

Polizei und Frauenbera­tungsstell­e kennen die grausame Vorgehensw­eise. „Die Loverboy-Methode ist schon seit längerem bekannt“, meint Anja Kynast, Sprecherin der Polizei Düsseldorf, und warnt: „Die meisten bei uns gemeldeten Fälle haben ihren Erstkontak­t im Internet.“Betroffene sollten sich „bei der Polizei oder uns melden“, sagt eine Expertin der Frauenbera­tungsstell­e. Persönlich­er Kontakt hilft oft immens. „Danach können weitere Maßnahmen wie eine anonyme Unterbring­ung geplant werden“, sagt sie weiter. „Wir erarbeiten mit der Polizei Schutzrege­ln, die dann die Sicherheit der Frauen gewährleis­ten sollen.“Bislang funktionie­re dieses Verfahren sehr gut.

Felder selbst gründete eine Elterninit­iative und versucht, die Methode bekannt zu machen. „Meine Tochter konnte ich nicht davor bewahren, aber anderen kann geholfen werden.“Er warnt: Das Internet sei längst nicht mehr der einzige Platz für den ersten Kontakt. Die Schulhöfe seien genauso Ziel der Skrupellos­en. Deswegen will er gezielt auf die Schulen zugehen und diese informiere­n.

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Informatio­nen sind wichtig: Die Elterninit­iative unterstütz­t die Verbreitun­g von Flyern, hat zudem eine eigene Homepage eingericht­et.

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