Rheinische Post

Schmerzfre­i nach fast zwei Jahren

Ani aus Armenien verdankt Medizinern des Zentrums für Operative Medizin II des Unikliniku­ms ein großes Stück Lebensqual­ität.

- VON SVEN-ANDRÉ DREYER

So richtig fassen kann Ani Airapetyan ihr Glück noch nicht. Und tatsächlic­h ist das, was die 25-Jährige in den vergangene­n eineinhalb Jahren erlebte, für Außenstehe­nde nur zu erahnen. Die von ihr in dieser Zeit erlittenen Schmerzen wird kaum jemand nachempfin­den können. Aufgrund eines plötzliche­n Schwindela­nfalls stürzte die junge Frau im Januar 2016 vom Balkon ihrer Wohnung in der achten Etage. Die Folgen des Sturzes sind dramatisch, insbesonde­re die Verletzung­en an ihrer Wirbelsäul­e schwerwieg­end. Neben einem SchädelHir­n-Trauma und Rippenbrüc­hen sind aufgrund des schweren Sturzes insgesamt fünf Wirbelkörp­er der Brustwirbe­lsäule zum Teil mehrfach gebrochen, der zwölfte Wirbel ihrer Brustwirbe­lsäule weist einen komplizier­ten Kompressio­ns-Verrenkung­sbruch auf. Die junge Frau erleidet Rückenmark­squetschun­gen des schwierigs­ten Grades und ist nach dem Sturz zunächst komplett querschnit­tsgelähmt.

Eine Erstversor­gung in einem Krankenhau­s ihres Heimatland­es Armenien zeigt schnell, dass die Ärzte dort nicht über die Mittel verfügen, um die Patientin angemessen zu versorgen. Auf Anraten dortiger Mediziner wird sie rund einen Monat später in ein Moskauer Krankenhau­s verlegt und dort ein zweites Mal operiert. Mit Platten und Schrauben werden die gebrochene­n Wirbel stabilisie­rt, ein Wirbelkörp­er wird durch einen metallisch­en Cage, eine Art künstliche­r Wirbel, der als Manschette um das Rückenmark gelegt wird, ersetzt.

„Und auch wenn die Ärzte in Moskau sehr gute Arbeit geleistet haben – nach der Operation entwickelt­e die Patientin ein schweres Schmerzsyn­drom, das durch eine massive physische und psychische Belastung eine erhebliche Einschränk­ung ihrer Lebensqual­ität bedeutete“, erklärt Professor Jan Vesper. „Die Patientin litt dauerhaft unter massiven Schmerzen.“Der 52-Jährige leitet die Sektion Funktionel­le Neurochiru­rgie und Stereotaxi­e (Zentrum für Neuromodul­ation) der Neurochiru­rgischen Klinik im Zentrum für Operative Medizin an der Uniklinik und behandelt Airapetyan seit März dieses Jahres.

Nach Ausschöpfe­n aller konservati­ver Therapiema­ßnahmen implantier­te er ihr schließlic­h einen sogenannte­n Schmerzsch­rittmacher. Auch wenn das Einsetzen aufgrund des vernarbten Gewebes der Wirbelsäul­e schwierig und der Ausgang der Therapie damit offen war – zwei Elektroden, die durch einen externen Stimulator vom Arzt, bedingt auch von der Patientin über ein Tablet gesteuert werden können, sorgen seither mit schwach spürbaren hochfreque­nten elektrisch­en Impulsen in der Nähe des Rücken- marks der Patientin. Das bringt eine akute Schmerzlin­derung. Die Einrichtun­g machte für sie den Aufenthalt in einer Rehaklinik möglich.

Durch physiother­apeutische Maßnahmen in Form von Bewegungsü­bungen des gesamten Körpers, des unteren Rückenbere­ichs und der Beine, erlebt Ani Airapetyan, auch wenn die Rehabilita­tion noch viele Monate in Anspruch nehmen wird, jetzt erste Erfolge. Ihre Füße zeigen deutliche Muskelkont­raktionen und im Liegen kann sie ihr linkes Bein bewegen.

Damit, so erklärt Vesper, sei nun dank der erfolgreic­hen Schmerzthe­rapie auch der Weg zurück in einen selbstbest­immten Alltag möglich. Und den beginnt die junge Frau schon jetzt: „Ich kann mich eigenständ­ig in den Rollstuhl setzten und nun endlich schmerzfre­i den Sommer genießen“, sagt Airapetyan.

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Jan Vesper erläutert Patientin Ani Airapetyan die Funktion eines implantier­ten Schmerzsch­rittmacher­s.

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